Super-Teilzeit-Dad
Child Days and wild Days
Unser Kolumnist Oliver Schmuki sieht seine Kinder entweder ganz oder gar nicht. Er ist seit der Trennung ein Vater in Teilzeit – aber das mit vollem Einsatz.
Ich bin Oliver, und ich bin Teilzeit erziehender Vater im Paritätsmodell von zwei Kindern. Nach der Trennung vor dreieinhalb Jahren ging mir dieser Satz immer wieder durch den Kopf. Als sei gerade das Gruppentreffen für anonyme getrenntlebende männliche Erziehungsberechtigte eröffnet worden. Vorstellungsrunde, und ich bin an der Reihe. Ich meine: Teilzeit erziehender Vater – das klingt erst einmal nach mangelhaftem Engagement. Nach Halbbatzigkeit und Versagertum. Nach einem Loser.
Tatsächlich war der Anfang schwierig und dunkel. Kommunikation, Flexibilität und Gewöhnung waren gefordert, von allen. Eine emotionale Achterbahnfahrt führte uns von der Familienüber eine Nestwohnung bis zur jetzigen Situation. Heute verbringen unsere Kinder gleich viel Zeit in zwei Zuhause – ein Wort, für das die deutsche Sprache keinen Plural kennt.
Doch heute behaupte ich: Teilzeit erziehende Väter sind die wahren Superhelden der modernen Gesellschaft! Wer einen flüchtigen Blick von mir erhaschen kann, wie ich vom Büro in den Quartierladen und weiter zum Fussballplatz bis zum Schulhaus fliege, wird das Ausmass meiner Superkräfte höchstens erahnen. Dabei buttere ich frühmorgens und spätabends jene sprichwörtlichen Brötchen, die ich tagsüber verdiene – natürlich in meinem Superdad-Kostüm.
In meinem Doppelleben durchsuche ich Taschen von Kleidchen und Shorts vor dem Waschgang nach Taschentüchern. Trage die Termine der Kinderzahnklinikbesuche und Waldtage in den Familienkalender ein. Drucke das verloren gegangene Formular für den Sponsorenlauf nochmals aus. Deponiere Gummistiefel und die Blockflöte der Tochter in der Wohnung der Mutter. Kontaktiere andere Eltern, um die nächste Übernachtungsparty zu organisieren. Und backe Whities (weisse Brownies), für die ich am Geburtstag meines Sohnes High fives von seinen Klassenkameraden kassieren werde. (Dass die süssen Mitbringsel von der Lehrerschaft jeweils reflexartig nur bei den Müttern bestellt werden, belegt, in welcher Schattenwelt wir Superdads nach wie vor operieren.)
Teilzeit erziehend zu sein, das bedeutet in meinem Fall, die Hälfte der elterlichen Aufgaben zu erledigen – aber eben vorwiegend allein. Doch für meinen Einsatz werde ich reich belohnt: Ich darf den Alltag meiner Kinder weiterhin hautnah miterleben und überdies Freiheiten geniessen, die andere Eltern in den blassen Erinnerungen aus ihrer kinderlosen Zeit kaum mehr ausmachen können.
Eine Freundin von mir, ebenfalls getrennt, ebenfalls zwei Kinder, ebenfalls Fifty-fifthy-Aufteilung mit ihrem Superdad, hat es einmal so ausgedrückt: Sie habe «child days» und «wild days». Ich mag das. Es beschreibt exakt, was ich fühle. Papa sein zu können mit der Möglichkeit, zwischendurch aufzutanken, und zwar richtig. Nicht so wie damals, als ich mich ständig gefühlt habe wie ein drei Jahre altes Handy: Das Display zeigt zwar einen vollen Akku an, doch bevor das Mittagessen verdaut ist, ist der Saft alle.
Manchmal, wenn sich Dunkelheit über die Stadt gelegt hat und meine Kinder in ihren anderen Betten bereits tief schlafen, ziehe ich heute meinen Superdad-Umhang über und fliege zu einem Dinner oder an eine Hochzeitsfeier. Nicht selten fragen mich dort Eltern mit dunklen Ringen unter den Augen über das Leben als Teilzeit erziehender Vater aus und beneiden mich um meine Freiheiten, Mütter noch viel stärker als Väter – ein Indiz dafür, dass es besonders in nicht getrennten Haushalten an Superdads mangelt?
Ernüchterung allerdings brachte der letzte Vatertag. Mein Sohn überreichte mir einen selbst gebastelten Superdad. Ich erschrak: Ahnen womöglich doch grössere Teile der Gesellschaft von unserer Existenz? Ist unser Wirken viel weniger opak, als ich gedacht hatte? Doch dann realisierte ich, woraus der Karton-Superheld bestand: aus einer leeren WC-Papierrolle.