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Väter sind keine besseren Männer
zvg
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Jetzt kommt der Autor Jo Berlien daher und präsentiert seine These, dass sich «das Mannsein früher oder später an der Frage der Vaterschaft entscheidet». Argwöhnt gar, dass Männer, die freiwillig auf Kinder verzichten, «ein wesentliches Lebensziel verfehlen».
Als Vater von vier Kindern, für den Vaterschaft ein zentrales Motiv seiner Existenz als Erwachsener ist, komme ich nicht umhin zu fragen: Meint der das ernst?! Nach Jahrzehnten und Jahrhunderten, in denen man Frauen zu umfassender, aufopferungsvoller Mutterschaft verpflichtet und ihnen eingetrichtert hat, die Erfüllung ihrer Bestimmung als Frau fänden sie nur in der Mutterrolle, soll die gleiche ranzige Nummer jetzt bei Männern Wunder wirken?
Ähm, nein. Das wird so nichts. Vaterschaft als eine Art Katalysator zu entwerfen, der den ewigen Jungen schlagartig zum erwachsenen Mann heranreifen lässt, ist keine gute Idee. Sicher, Vaterschaft funktioniert oft genug genau so. Die Entfernung von A nach B zurückzulegen, indem man sich mit einem Katapult durch die Luft schleudern lässt, allerdings auch. Wenn, wie von Berlien angedeutet, Erwachsensein sich vor allem durch die freiwillige und halbwegs kompetente Übernahme von Verantwortung auszeichnet, dann wäre allen Beteiligten zu wünschen, dass Mann darüber schon vor einer Vaterschaft im gewissen Masse verfügt. Und dann muss auch festgehalten werden, dass Vaterschaft nicht zwangsläufig auch nur zu einem Minimum an Verantwortungsgefühl führt. Mutterschaft übrigens auch nicht. Nicht zu Zufriedenheit, Glück und pflichtbewusstem Nachwuchs, der sich auch im Alter um den armen, alten Vater kümmert. Auch nicht zu Gewaltlosigkeit, Interesse oder Liebe.
Wenn Männer auch nur ansatzweise solche verantwortungslosen, egoistischen, kurzsichtigen Stoffel sind, als die Berlien sie beschreibt, dann, und gerade dann, sollten wir uns dringend etwas Besseres einfallen lassen, als sie durch eine Vaterschaft davon zu kurieren. Männer können mit und ohne Kinder grossartige Menschen und fiese Drecksäcke sein. Ich bin grundsätzlich dafür, alle grossartigen Menschen wertzuschätzen und in ihrem Tun zu bestärken, anstatt beispielsweise Männer dafür anzupampen, dass sie nicht Vater werden wollen.
Also statt mehr und gleiche Geschlechterzwangsjacken auszugeben, einfach weniger anzufertigen. Vielleicht kriegen wir das ja hin.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.