Selbstständigkeit
Selbst ist die Frau
Inhaberin von Ma’ Loulou, Online-Shop für Geburtskarten aus Biel.
«wir eltern»: Wie sind Sie auf Ihre Geschäftsidee gekommen?
Aline Ledergerber: Sechs Monate nach der Geburt meiner Tochter Irina arbeitete ich wieder teilzeit als Art Direktorin. Schnell war klar, dass es nicht funktionierte wie geplant. Deshalb habe ich den Entschluss gefasst, mich selbstständig zu machen; kurze Zeit später folgte dann die Firmengründung. Die Idee eines Online-Shops für Geburtskarten kam wohl daher, dass mich die Schwangerschaft, die Geburt und unser Baby so sehr faszinierten, dass es auf der Hand lag, meinen Beruf mit der neuen Kinderwelt zu verbinden.
Wie bringen Sie Job und Familie unter einen Hut?
Mein Mann betreut Irina zwei Nachmittage pro Woche, einen Tag übernehmen die Grosseltern. Ausserdem besucht sie zwei halbe Tage pro Woche die Spielgruppe. Ich arbeite auch mal abends eine Stunde oder zwei, wenn viel anfällt.
Wo holen Sie sich Hilfe?
Meine Familie und speziell mein Mann sind immer für mich da – ausserdem kriegte ich in rechtlichen Belangen bei der Firmengründung hilfreiche Infos von meiner Gewerkschaft. Am meisten profitiere ich aber von einem Mompreneur-Netzwerk, das ich auf Facebook entdeckt habe. Der Austausch und die gegenseitigen Ratschläge sind grandios.
Können Sie von Ihrer Selbstständigkeit leben?
Bisher konnte ich mir bis auf wenige Ausnahmen immer einen kleinen Lohn auszahlen. Bis Ende Jahr liegt vielleicht sogar eine Gehaltserhöhung drin. Meine Familie ernähren könnte ich von meinem Lohn nicht. Da ich ja nicht Vollzeit arbeite, war das aber auch nicht so geplant.
Das Beste am selbstständigen Arbeiten?
Ich kann mir meine Zeit selber einteilen und niemand sagt etwas, wenn ich mal um 10 statt um 9 Uhr im Büro bin. Oder mal einen Tag mit meinem Kind verbringe und dafür abends länger arbeite.
Die grösste Schwierigkeit?
Sich Auszeiten zu schaffen. Gerade mit dem Online-Shop, in dem man rund um die Uhr Karten bestellen kann, ist man immer beschäftigt. Und wenn ich krankheitshalber mal eine Woche ausfalle – wer macht dann meine Arbeit?
Ihr Tipp an Müttern, die überlegen, sich selbstständig zu machen?
Sich Zeit lassen, um die Geschäftsidee zu entwickeln. Den Mut haben, diese auch wieder zu verwerfen und neue Strategien zu entwickeln. Und unbedingt netzwerken!
Aline Ledergerber
Die schlechte Nachricht vorweg: Selbstständig erwerbende Frauen arbeiten durchschnittlich mehr als Angestellte – verdienen jedoch weniger. Wer Mühe hat mit dieser Vorstellung, eignet sich vielleicht nicht für eine One-Woman-Show. Es gibt jedoch einen Haufen Vorteile, welche die Selbstständigkeit mit sich bringt. Gerade für Mütter! Kein Wunder, schaufeln sich immer mehr Frauen mit dem ersten Kind frei. Oft passiert dies bereits während des Mutterschaftsurlaubs: Das Kind ist da – die Lust auf den alten Job weg. Die Aussicht auf ein geringeres Pensum, starre Arbeitszeiten, unbefriedigende Aufgaben und verständnislose Vorgesetzte bringt viele Mamas ins Grübeln. Immer mehr Mütter entdecken durchs Kind eine neue Seite an sich, die übers Windelwechseln hinausgeht, und entwickeln im Zusammenhang mit ihrem Muttersein kreative Geschäftsideen: Die Werbeleiterin eröffnet einen Webshop, die Eventmanagerin eine Kinderkrippe, die Journalistin lanciert einen Mamablog, die Architektin entwirft Kinderschmuck. Nichtselten entwickelt sich das neue Hobby zum erfolgreichen Side-Business, das nach dem Mutterschaftsurlaub voller Elan vorangetrieben wird – neben dem ursprünglichen Job irgendwann vielleicht sogar als Haupterwerb. Fakt ist: Viele Mütter sehen in der Selbstständigkeit eine gute Möglichkeit, ihren Job mit dem Familienalltag zu kombinieren.
Wir haben für zukünftige Mompreneurs eine Checkliste zusammengestellt – mit Wissenswertem für den Weg in die Selbstständigkeit:
Das macht Mut: In der Schweiz wird unterdessen jedes dritte Unternehmen von oder mit Beteiligung einer Frau gegründet. Dies entspricht einer Zunahme von beachtlichen 32 % gegenüber dem Jahr 1999 (Quelle Studie FHNW). Obwohl Frauen bei der Gründung eine schwierigere Ausgangslage haben als Männer, sind sie statistisch gesehen die erfolgreicheren Unternehmerinnen und haben im Markt längerfristig eine grössere Überlebenschance. Und es ist ausserdem erwiesen, dass Selbstständige zufriedener mit ihrer Arbeit sind als Angestellte.
Ernüchternd: Nach fünf Jahren existiert die Hälfte der gegründeten Firmen nicht mehr. Umso mehr sollte man sich beim Ausarbeiten der Geschäftsidee Zeit lassen, sich austauschen, Informationen sammeln, potenzielle Kundenprofile erstellen, eine Marktanalyse starten. Wie viele Anbieter gibts in dem Gebiet schon? Was hebt mein Konzept von den anderen ab? Erst wenn die Idee der Freundin in drei bis vier Sätzen verständlich gemacht werden kann, funktioniert es auch mit den Kunden.
Je nach Geschäftsidee brauchts für die Gründung ein Startkapital. Ein Budget (wie hoch sind die Einnahmen und Ausgaben?) und ein Kapitalbedarfsplan (wie viel Geld brauchts für Aufbau und Betrieb des Unternehmens?) verschaffen Übersicht. Es ist möglich, innerhalb eines Jahres nach Gründung Eigenkapital aus der Pensionskasse oder der dritten Säule zu beziehen. Bei einer Fremdfinanzierung sind Beteiligungen Dritter (z.B. Gesellschafter), private Kredite (z.B. von Familienmitgliedern) oder Kredite von Banken möglich. Hierfür muss ein Businessplan vorgelegt werden. Handelt es sich um Projekte (z.B. ein Kinderbuch), bietet sich zudem Crowdfunding an (z.B. www.wemakeit.ch, www.100-days.net).
Dient nicht nur als relevante Dokumentation für die Suche nach Geldgebern und Partnern, er zwingt Gründerinnen auch, ihre Geschäftsidee nochmals klar zu formulieren (Was bringts? Was solls? Was kostet es?) und zeigt so evtl. Schwachstellen auf. Ein Businessplan ist für Laien verständlich und fehlerfrei formuliert, ansprechend gelayoutet und umfasst nicht mehr als dreissig A4-Seiten.
Ob Einzelfirma, Kollektivgesellschaft, GmbH oder AG: Es gibt keine ideale Rechtsform. Ausschlaggebend sind immer verschiedene Kriterien wie z. B. Haftung der Inhaber (Risiko), Gründungskosten, Grundkapital (für eine GmbH brauchts mindestens 20 000 Franken, für eine AG 100 000 Franken), Besteuerung der Firma, Unabhängigkeit usw. In den letzten zehn Jahren gab es einen enormen Zuwachs bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), der beliebtesten Rechtsform.
Schützt den Firmennamen, schafft Transparenz, steigert Kreditwürdigkeit und Image – und verpflichtet zur Buchführung. Ein Handelsregistereintrag bei Einzelfirmen ist erst ab einem Umsatz ab 100 000 Franken notwendig, bei anderen Rechtsformen obligatorisch. Achtung: Oft flattern nach Gründungen Einzahlungsscheine von privaten Registern ins Haus, die verblüffend echt aussehen. Ab ins Altpapier!
Schliessen sich zwei oder mehrere Mütter zu einer Firma zusammen, hat das den Vorteil, dass man Kosten und Arbeiten teilen kann und das Netzwerk an Kontakten grösser ist. Partnerschaften bergen aber auch Risiken. Z.B. wenn man unterschiedliche Ansichten hat und sich zerstreitet, das passiert auch unter befreundeten Müttern leider immer wieder. Deshalb die Partnerin unbedingt im Vorfeld prüfen und eine Austrittsregelung festhalten. Ansonsten ist es möglich, dass bei einem Partneraustritt die Firma gefährdet ist.
Viele Mompreneurs sind, Internet sei Dank, gut vernetzt und nutzen ihre Kontakte rege. Bei Facebook gibts viele geschlossene Gruppen, in denen sie sich austauschen und mit Rat beiseite stehen, z.B. (net)working moms. Da helfen erfahrene Mompreneurs den Greenhorns etwa bei den wichtigsten Fragen zur Geschäftsgründung, bei der SEO-Optimierung oder beim Handling von nichtzahlenden Kunden.
Die Schweiz ist ein KMU-Land! Dementsprechend viele Einrichtungen gibt es, die bei der Firmengründung helfen und beraten. In Kursen werden Fragen von Profis beantwortet, z.B. beim Institut für Jungunternehmer, www.ifj.ch, oder über die Gewerkschaften bei www.movendo.ch. Man kann die eigene Firma auch direkt und einfach online gründen, z.B. bei www.startups.ch. Ein informatives Standardwerk ist «Ich mache mich selbständig» von Norbert Winistörfer, erschienen im Beobachter Verlag in einer aktualisierten Auflage (61 Franken).
Inhaberin Kinderladen Nepomuk aus Zürich.
«wir eltern»: Wieso haben Sie sich selbstständig gemacht?
Emely Entemann-Rösch: Nach der Geburt meiner ersten Tochter fand ich nirgends Kinderkleider, die meinem Geschmack entsprachen. Ich hatte einen Fundus an Sachen, die meine Eltern als Kind getragen hatten. Deren Qualität und liebevolle Verarbeitung haben mir stets gefallen. So machte ich mich auf die Suche nach Labels, die heute noch Kleider und Spiele nach alter Manier produzieren. Und war erstaunt, wie viele wunderschöne Produkte ich fand. Genug für einen Laden.
Wo haben Sie sich Rat geholt?
Eigentlich nirgends. Finanzielle Unterstützung gabs von der Bank und etwas kam von der Familie. Ich habe mit einem kleinen Startkapital angefangen.
Sie haben vier Kinder. Wie organisieren Sie Job und Familie?
Mein Mann übernimmt wenn immer möglich die Kinder. Im ersten Lebensjahr habe ich jedes Kind mit in den Laden genommen, das hat stets gut funktioniert. Danach gingen sie zweimal pro Woche in die Krippe. Viele administrative Dinge für den Laden erledige ich jeweils abends, wenn die Kinder im Bett sind.
Können Sie von Ihrer Selbstständigkeit leben?
Noch nicht vollends. Ich habe drei Angestellte, die ich finanzieren muss. Da mir meine Zeit mit den Kindern wichtig ist, kann ich nicht jeden Tag selber im Laden stehen. Aber das wird sich ändern, wenn die Kinder grösser sind.
Die grösste Schwierigkeit?
Meine eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen. Mit vier Kindern und dem Geschäft passiert es schnell, dass ich zuwenig auf mich schaue.
Ihr grösster Erfolg?
Mein Laden besteht nun seit acht Jahren, darauf bin ich stolz. Er wird von Kunden geschätzt. Das motiviert mich besonders, da ich nie nach Trends, sondern nur nach meinem Geschmack einkaufe.
Ihr Rat an andere Mütter?
Immer auf seinen Bauch hören, auch wenn es anfangs viele Hürden zu nehmen gilt. Am Ende wird man mit vielen kleinen und grossen Dingen belohnt, das stärkt für weitere Schritte.
Inhaberin vom Kindermode-Label Petit Mai aus Fribourg.
«wir eltern»: Wie sind Sie auf Ihre Geschäftsidee gekommen?
Anne Tu Quoc: Ich habe mich vor 7 Jahren mit meinem Mützenlabel Mai selbstständig gemacht. Die Geburt meines Sohnes Lenox vor 3½ Jahren hat dann einen kreativen Schub ausgelöst. Noch im Wochenbett setzte ich mich an die Nähmaschine, um wie eine Verrückte Kleider für den Kleinen zu produzieren. Die Lancierung meiner Kinderlinie Petit Mai war die logische Folge.
Wo haben Sie sich Rat oder finanzielle Unterstützung geholt?
Ich habe mich allein durchgekämpft, was nicht immer einfach war. Heute habe ich jemanden, der mich bei der Buchführung und mit Steuerfragen berät.
Können Sie von Ihrer Selbstständigkeit leben?
Anfangs arbeitete ich nebenbei ein bis zwei Tage im Gastgewerbe, meinem ursprünglichen Arbeitsbereich. Ziemlich schnell konnte ich dann aber vollständig von meinem Label leben. Mit dem Kind wurde es etwas schwieriger. Zum Glück war Lenox ein pflegeleichtes Baby. Im ersten Jahr konnte ich ihn mit ins Atelier nehmen, das bei uns zu Hause ist.
Wie ist die Situation heute?
In den dreieinhalb Tagen, in der Lenox in der Krippe ist, arbeite ich im Atelier. Ich muss mir die Zeit genau einteilen, kann nicht mehr so Vollgas geben wie vor dem Kind, nicht mehr alle Aufträge annehmen. Daran musste ich mich anfangs gewöhnen. Aber die Zeit mit meiner Familie ist mir sehr wichtig, vor allem jetzt, wo ein zweites Baby unterwegs ist.
Die grösste Schwierigkeit?
Die Unregelmässigkeit. Mal gibts lange nichts und dann viele Aufträge aufs Mal. Und man arbeitet sehr viel. Es gäbe einfachere Wege, sein Geld zu verdienen. Aber glücklicher wäre ich als Angestellte bestimmt nicht.
Das Beste?
Es redet mir niemand rein. Ich könnte nie mehr einen Chef aushalten. Und ich freue mich jeden Tag auf meine Arbeit, weil ich machen kann, was mir am meisten Spass macht.
Ihr Rat an Mütter, die sich selbstständig machen wollen?
Keine halben Sachen machen! Der Auftritt muss von Anfang an professionell sein. Und man muss vollends überzeugt sein von seinem Produkt, denn man wird viel Nerven und Zeit brauchen.