In meinem Bauch wuchs ein Junge. Mein Umfeld war betroffen über meine unverhoffte, frühe Schwangerschaft. Familie und Freunde kannten meine Lebensträume und wussten, dass ein Leben dafür nicht ausreichen würde. Was ich meinerseits nicht verstand: Weshalb sie sich alle so sorgten. Auch mit Kind war alles möglich. Jedenfalls wenn Frau, so wie ich, in einem privilegierten Land lebte, eine liebende und treue Familie hatte sowie eine solide Ausbildung. Und so liess ich kurzerhand alle fremden und eigenen Sorgen in der Schweiz zurück und flog, mithilfe meines späteren Ehemannes, für Monate nach Australien. Doch auch am anderen Ende der Welt lagen Frage, Zweifel oder Mitgefühl im Blick unserer Gegenüber: «Ist sie sich bewusst, worauf sie sich eingelassen hat?» «Schafft sie das, so jung mit Baby?» «Sie ist ja selbst noch kaum erwachsen. Ist es gut für das Baby, wenn Kinder Kinder kriegen?» Und gegen Ende der Reise wurden die Blicke zu Worten und die Worte zu stillen Vorwürfen: «Was tust du so weit weg von daheim, du bist schwanger! Das Kind könnte jeden Moment zur Welt kommen!» So, als bekäme in Australien niemand ein Kind.
<<Hinter dem Kind her stolperten noch lange ein unreifer Geist und eine unsichere Seele.>>
Dass medizinisch etwas schief gehen könnte, daran dachte ich in keinem Augenblick. Vielmehr ärgerte ich mich, wieder daheim, über die Bemerkungen meines Umfeldes: «Wann richtest du endlich das Zimmer für dein Baby her?» Oder: «Bist du vorbereitet, falls du ins Spital musst?» Ich genoss den sichtlichen Schock meiner Bekannten, wenn ich antwortete: «Mein Kind wird in einem Koffer schlafen, den ich jederzeit zuklappen kann, wenn ich verreisen will.»
Wie mutig, nein zutiefst unvernünftig es war, sich im siebten Monat mit ein bisschen Proviant für ein paar Wochen – damals gab es noch keine Handys – via Segelboot auf einer Insel des Great Barrier Reef, allein mit dem Freund und ein paar Goannas (Riesenwarane) aussetzen zu lassen, sah ich erst viele Jahre später. Wenn ich heute daran denke, was alles hätte passieren können, erschaudere ich. Aber ich weiss auch, wie sich Unbeschwertheit und Verrücktheit anfühlen: gut. Ich lernte früh, dem Leben grundsätzlich zu vertrauen. Neun Monate hatte ich versucht, zu verdrängen, dass ich bald nicht mehr allein durchs Leben gehen würde. Hatte mich widersprüchlichen Gefühlen, tiefen Unsicherheiten und oft unschönen Gedanken stellen müssen und die Erfahrungswerte anderer ins Leere laufen lassen. Äusserlich war die Schwangerschaft ein sichtbarer Prozess. Doch innerlich dauerte er lange über die Geburt hinaus: Hinter dem Kind her stolperten noch lange ein unreifer Geist und eine unsichere Seele.
Trotz des überwältigenden Glücksgefühls, das ich nach der Geburt verspürte, und einer Zeit, die aus dem Blickwinkel der Jugend der Ewigkeit ähnlich sieht, gab es manches, das ich mir vorwerfe: Dass sich meine jugendlichen Bedürfnisse vor diejenigen des Babys drängten. Dass ich oft hilflos war und überfordert im langen Alltag zwischen Beruf und Kinderbetreuung. Ungeduldig und wenig gelassen. Und sehr allein, da niemand in meinem Alter ein Kind hatte. Ich lebte mittlerweile in Süddeutschland, während Familie und Freunde in Bern waren. Die langen Tage ohne Gesprächspartner auf Augenhöhe wirkten zermürbend. Für meinen Sohn war ich eine Freundin, statt die Mutter, die er dringend brauchte, um sich geborgen zu fühlen. Die Vorteile: Alles war möglich. Mein Kind gehörte von nun an zu meinem Leben wie die Hand zum Arm. Mit allen Vor- und Nachteilen, die eine Symbiose mit sich bringt. Eine Schwangerschaft in jungen Jahren bringt weniger Sorgen, weniger Ängste, manchmal tiefe Einsamkeit. Der Körper ist fit, der Geist neugierig, die Seele mutig und dehnbar. Eine junge Mama verwirklicht auch mit Kind ihre Träume. Und ist trotzig genug, sich nicht darum zu kümmern, was andere denken und sagen.