Entwicklung / Aufklärung
Sag, wer macht die Kinder?
Von Andrea Bornhauser
Kinder glauben nicht mehr an den Storch. Aber wie soll man erklären, wie ein Baby gemacht wird? Wir haben Aufklärungsbücher unter die Lupe genommen und stellen unsere sechs Favoriten vor.
Sexböxli schon im Kindergarten? Eine Initiative, die den Aufklärungsunterricht bis 9 Jahren ganz aus der Schule verbannen will? Das Thema Aufklärung für Kinder und Jugendliche wird in letzter Zeit wieder heiss diskutiert. Fest steht: Spätestens, wenn ein Geschwisterchen im Bauch der Mutter heranwächst, wollen Kinder wissen, wie es da reingekommen ist. Noch Anfang letzten Jahrhunderts erzählte etwa der Zürcher Doktor med. Hans Hoppeler kleinen Gwundernasen, dass im Schosse der Mutter Eierchen in zwei Kästlein heranwüchsen und nur der Vater den Schlüssel besässe, diese mit seiner Liebe zu öffnen. Damit das Eierchen dann auf einem Pölsterchen im Schoss der Mutter zu einem Kindchen heranwachse. ¬Und wenn das Kindchen fertig gewachsen ist, legt sich die Mutter zu Bette und durch eine kleine Öffnung schlüpft das neue Menschlein auf die Welt. * Nach dem Storch kam also die Story mit dem Schlüssel. Heute sind wir zum Glück schon ein paar Schritte weiter, und es gibt gute und moderne Hilfsmittel in Buchform, um neugierige Kinderfragen rund ums ema eigener Körper und Sex zu beantworten.
*Aus dem Büchlein «Woher die Kindlein kommen. Der Jugend von 8 bis 12 Jahren erzählt durch Dr. med. Hans Hoppeler» Verlag: Art. Institut Orell Füssli Zürich, 1916
In typisch liebevoller Janosch- Manier wird in diesem Buch die Geschichte der Mäusefamilie harten Feldarbeit des Mäusevaters – und von der ersten grossen Liebe von Mäusetochter Tütü, die sich unsterblich in den Maulwurf Diddi Neumann verknallt hat und mit ihm – dem besten Küsser der Mäuseschule - knutschen übt. Ganz nebenbei wird in der Geschichte erklärt, wie man Kinder macht. Plötzlich, mittendrin, steht es geschrieben und gemalt. In der Schule lernen die Mäusekinder, wie sich die Pflanzen bestäuben lassen, wie das Huhn zum Küken kommt und wie sich die Menschen fortpflanzen. Mithilfe von wunderbar witzigen Illustrationen, auf welchen der Vater «seinen Piller in Mutters Puschel steckt». Das beliebte und lange vergriffene Aufklärungsbuch vom deutschen Autor Janosch wird jetzt wieder neu aufgelegt und ist perfekt für Kinder, die seine verspielten Geschichten lieben und trotzdem Bescheid wissen wollen.
In diesem Buch geht es um die kleine Clara, die ihren eigenen Körper kennen- und lieben lernt. Sie wird sich bewusst, welche Berührungen sie sehr mag, und welche nicht. Und wie sie sich selbstbewusst wehren kann. Mit Mama und Papa zu kuscheln, oder eine Freundin zu umarmen findet Clara schön. Hingegen gar nicht, wenn ihr Lehrer sie kitzelt oder die Tante ihr einen Schlabberkuss gibt. Dem fremden Mann, der möchte, dass sie ihn berührt, sagt sie klar «Nein!» Das vom deutschen Ärztinnenbund ausgezeichnete Bilderbuch zum Schutz gegen Missbrauch bringt Kindern das Thema sexuelle Grenzüberschreitung auf einfache und verständliche Art näher. Es zeigt auf, dass ihr Körper kostbar ist, und dass sie selber entscheiden, was mit ihm passiert. Und an wen sie ihn schmiegen wollen.
Als Spezialistin für Sexualerziehung im niederländischen Institut für Familienplanung weiss Autorin Sanderjin van der Doef bestens, welche Fragen Kinder heute zum Thema Sexualität haben. In ihrem Buch erklärt die Holländerin den Unterschied zwischen Freundschaft und Liebe, zwischen Mädchen und Jungen, spricht über Kuscheln, Küssen und Liebemachen und die Folgen daraus, nämlich wie ein Baby im Bauch heranwächst und zur Welt kommt. Besonders aufgeschlossen sind die Kapitel «Es kann auch anders sein», in dem o en über künstliche Befruchtung, Rainbowfamilys, Adoption und Kuckuckskinder gesprochen wird. Abgerundet wird das Buch, in dem man viel über Toleranz lernt, mit hübschen Illustrationen von Marian Latour.
Dieses Ringbuch mit seinen vielen Klappen zum Dahintergucken, den anschaulichen Skizzen, witzigen Illustrationen und einfachen Texten macht Klein und Gross Lust, um darin zu schmökern. Auf jeder Seite wird auf spielerische Weise etwas Neues dazugelernt: vom eigenen Körper, Miteinanderschlafen, zur Zellverschmelzung, wie Zwillinge entstehen, über das Wachsen des Kindes, was das Baby im Bauch macht, wie eine Ultraschalluntersuchung abläuft, was während und nach der Geburt passiert, was das Neugeborene alles kann und wie es bei den Tieren ist. Was in diesem Buch gar nicht thematisiert wird, sind Themen wie Homosexualität, künstliche Befruchtung oder Adoption. Es dreht sich alles um die klassische Mann-Frau-Beziehung mit natürlichem Geburtsverlauf. Zuletzt gibts für die Kinder noch einen Wissenstest, in dem geprüft wird, ob sie auch gut aufgepasst haben. Oder ob sie etwa meinen, dass der Mutterkuchen eine Torte ist, welche die Mutter zur Geburt ihres Kindes bekommt.
Das Bilderbuch mit der wunderbaren Geschichte von Papagei Lori und dem Tukan, die bei einem Naturvolk dem Geheimnis des menschlichen Bauchnabels auf den Grund gehen, ist kein klassisches Aufklärungsbuch. Aber eines, das Kindern ganz nebenbei hilft , zwei der grössten Wunder des Lebens zu verstehen: Zeugung und Geburt. Sie lernen nicht nur exotische Tiere und Pflanzen des Urwalds kennen, sehen wie die Menschen in einem Indiodorf leben – «Mama, weshalb sind die alle nackig?» – sondern werden auch Zeugen, wie sich das Mädchen Tivu und der Junge Piru verlieben, heiraten, schwanger werden und schliesslich in einer Holzhütte ihr Baby zur Welt bringen und das Geheimnis des Bauchnabels lüften. Geschrieben wurde das Kinderbuch 1970 von der unterdessen verstorbenen Schweizerin Karen Meffert.
Ein Klassiker unter den Aufklärungsbüchern. Dieser hübsche Comicband erzählt die Geschichte der Familie Lindström, die ein Baby bekommt. Die beiden Kinder Peter und Ida wollen wissen, wie das Baby in Mamas Bauch kommt und werden von den Eltern aufgeklärt. Von den eigenen Geschlechtsteilen, zum Liebesakt bis hin zur Geburt wird den beiden neugierigen Kids alles näher gebracht. Dieses Buch ist Ende der Siebzigerjahre in Schweden erschienen, es hat aber auch dreissig Jahre später nichts Altbackenes an sich. Im Gegenteil: Aufgeschlossen wie die Skandinavier sind, werden im Buch Themen wie die Menstruation, Verhütungsmittel, die veränderte hormonelle Gefühlswelt der Mutter, Schwangerschaftsübelkeit oder Adoption auf natürliche Art vermittelt. So wohnen die Lindströms in einem Haus mit arbeitstätigen Müttern und alleinerziehenden Vätern, einer griechischen Grossfamilie und die Nachbarn wollen bald ein Baby adoptieren. Das einzige, was an die Siebzigerjahre erinnert, ist der Spitalbesuch: Da müssen der Vater, Peter und Ida ihr jüngstes Familienmitglied noch durch die Scheibe der Säuglingsstation bewundern.