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Olympische Spiele: Kinder nicht willkommen
zvg
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Stoppt die Pressen, haltet die Welt an! Oh mein Gott, das geht ja wohl überhaupt nicht! Der norwegische Ruderer Olaf Tufte und sein Kumpel Kjetil Borch haben den Gewinn ihrer Bronzemedaille mit Tuftes Kindern gefeiert.
Sohn und Tochter durften mit aufs Podium, liessen sich auf die Schulter nehmen, besahen sich die Medaillen und sangen aus vollem Hals die norwegische Nationalhymne. Es war ein Fest. Noch besser wurde es allerdings, als ein offizieller Vertreter Olaf Tufte darauf aufmerksam machen wollte, dass Kinder auf dem Podium gegen die olympische Etikette verstossen. Zeitgleich muss wohl einer der vielzitierten Säcke Reis in China umgefallen sein. Oder wie Tufte es anschliessend gegenüber einer Zeitung formulierte:
«Ich glaube, ich bin schon länger in diesem Sport als der, der mir die Regeln erklären wollte. Da pfeife ich vollständig drauf.»
Ich möchte mir am liebsten ein T-Shirt mit dem Konterfei Tuftes und einem fetten «Da pfeife ich vollständig drauf!» drucken lassen. Warum? Entspannte Väter, die sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, sind selten. Ausserdem ist das hier ein sehr spezieller Fall. Das IOC hat es nämlich gerade nötig von Etikette zu reden. Dabei ist es nicht einmal in der Lage, ein halbwegs vernünftiges Dopingmanagement auf die Reihe zu bekommen. Stattdessen bietet es seinen Mitgliedern Struktur und Anlass, sich die Taschen vollzustopfen, interessiert sich nicht die Bohne für die wirtschaftlichen und ökologischen Folgen für die Austragungsländer und belügt die Presse, wenn Sportler bedroht und ausgeraubt werden. Bei den «Rekordspielen der Verlogenheit und Verschwendung» erklärt man es also für unschicklich, dass man seine Freude über die Teilnahme an Olympischen Spielen und einen Medaillengewinn mit seinen Kindern teilt. Da muss dem Protokoll Genüge getan werden. Sonst eher nicht so. Segeln in einer Umweltkatastrophe? Ach, warum denn nicht!
Sportstätten, die nach den Spielen niemand mehr benutzen wird? Richtig super!
Man hätte natürlich auch die Gelegenheit für richtig gute PR ergreifen und mit Blick auf Olaf Tufte sagen können: «Seht her, so sehen Olympische Spiele eben auch aus.» Stattdessen hat man einmal mehr gezeigt, dass man auf den olympischen Gedanken vollständig pfeift. Und auf Kinder sowieso.
Na, herzlichen Dank auch.
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.