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Ohne Freunde ist alles doof
zvg
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Wetter doof. Politik doof. Doppelkopf spielen doof weil unmöglich. Einkaufen doof. Geburtstag haben doof. Verreisen doof.
Gut, dass kann man natürlich auch alles alleine machen. Ganz bei sich sein, Schafe zählen, Einatmen, Achtsamkeit und all solche Sachen. Man kann das auch mit seiner Kernfamilie machen. In meinem Fall heisst das mit Chefin von dem Ganzen und mittlerweile vier Kindern. Das ist auch nett, kann aber ziemlich kompliziert werden. Wenn einer mehr für Wellness ist und der andere für Wandern, muss man sehen, wie sich das irgendwie zusammen addieren lässt. Hinzu kommt, dass sich die Bedürfnisse von einer Elfjährigen fundamental von denen eines drei Monate alten Babys unterscheiden – beide aber sehr nachdrücklich darauf aufmerksam machen, dass ihre die allerallerwichtigsten sind. Das ist eine der Gründe, warum wir bei uns dazu übergegangen sind, den grossen ein bis zwei Mal im Jahr Feriencamp Angebote zu machen. Da sind sie unter Gleichaltrigen, fahren Floss, feiern Partys, bleiben lange auf und essen das, was auf den Tisch kommt. Wenn wir mit ihnen verreisen fallen schon mal Ausflüge ins Wasser, weil wir es nicht schaffen, alle angezogen zu bekommen. Dann fehlen die Lieblingsschuhe, irgendwer muss noch auf Toilette, irgendjemand braucht dringend eine neue Windel, Lippenstift und Taschenmesser vergessen, gib das her, du bist gemein, dann komm ich nicht mehr mit, ich aber auch nicht, Aaaaargh!
Dann lieber gleich mit Freunden und deren Kinder verreisen. Das wird zwar auch sehr chaotisch, aber es gibt einfach mehr Erwachsene, die Kinderbedürfnisse themenbezogen abfrühstücken können. Alle, die wollen, können raus in den Wald/ans Meer/zum Einkaufen. Die, die lieber drinnen rumhängen, werden auch betreut und es findet sich auch jemand, der das Baby wippt. Sicher, irgendwer brüllt auch immer. Manchmal sogar die Kinder. Aber dafür haben die anderen an die Dinge gedacht, die man selbst vergessen hat und man muss nicht ständig alleine für Mahlzeiten sorgen, obwohl man selber keinen Hunger hat. Und wenn es richtig gut läuft, dann gibt es da diese zwei Stunden vor dem Schlafengehen, wo alle Kinder im Bett sind, sich niemand beschwert und Erwachsene endlich einmal Erwachsenendinge machen können: Erschöpft aufstöhnen, dreieinhalb Worte miteinander wechseln, eine Tafel Schokolade gegen den Stress einatmen, einen netten Abend.
Und damit schöne Grüsse aus Dänemark. Wir sind ganz oben links das lauteste Haus in hundert Meilen Radius.
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.