Kinderschutzexperte findet «Minecraft» trotz allem ein «super Spiel» und gibt Eltern Tipps.
Nach acht Tagen der Ungewissheit hat ein deutsches Sondereinsatzkommando auf Antrag der Schweizer Ermittler den Solothurner Primarschüler Paul in Düsseldorf aus einer Wohnung befreit. Diese gehört einem 35-jährigen Mann, der den in Gunzgen wohnhaften 12-Jährigen über einen Chat des Internetspiels Minecraft kontaktiert hatte. Darüber informierte die Kriminalpolizei Solothurn am Sonntagnachmittag.
Die Frage rückt ins Zentrum: Wie gefährlich sind Internetspiele für Kinder? Und wie sollen Eltern reagieren, wenn ihre Kinder sie spielen wollen?
Der Solothurner Schüler Paul (12) wurde über einen Chat im Internetspiel Minecraft geködert und dann entführt. Die Polizei hat ihn am Samstag in Düsseldorf befreit. Wie kann so etwas verhindert werden?
Laurent Sédano: Zu diesem spezifischen Fall wissen wir noch zu wenig um eine Einschätzung zu geben. Grundsätzlich zeigt sich jedoch, dass der Kontakt zwischen den Eltern und dem Kind entscheidend ist. Eltern sollen immer wissen, was ihre Kinder im Internet machen.
Ist das nicht etwas zu viel der Kontrolle?
Es geht in erster Linie nicht um Kontrolle sondern um den Kontakt. Im Primarschulalter gehören Eltern daneben, wenn das Kind sich mit Internetspielen abgibt. Eltern sollen mit den Kindern zusammen rausfinden welche Funktionen ein Spiel bietet und ob das Kind schon reif genug ist damit umzugehen. Wenn zum Beispiel klar ist, dass das Spiel keine Chatmöglichkeiten hat, kann die Handhabung auch gelockert werden.
Sollen Primarschülerinnen und -schüler nicht chatten dürfen?
Wenn der Chat den Kontakt mit Fremden zulässt, dann ist es zu früh. Es gibt nur einen Chat, den ich in diesem Alter empfehlen kann und das ist Zambo von der dazugehörenden SRF-Sendung. Dieser Chat wird seriös kontrolliert: Das beginnt beim Zugang zum Chat und hört bei der Überprüfung der Chat-Verläufe nicht auf.
Sollen Eltern ihren Kindern Internetspiele wie Minecraft generell verbieten?
Es wäre ein Reflex, den ich nicht gut fände. Viel besser wäre es, sich mit dem Kind hinzusetzen, über den Fall Paul zu sprechen und zu fragen: "Hast du ähnliches erlebt?" Solche Fälle eignen sich, um Gefahren anzusprechen. So kann das Kind etwas lernen. Gespräche über Spiele sollten sich aber nicht nur um Gefahren drehen. Eltern können die Gelegenheit auch grad nutzen um mehr über die Spiele ihrer Kinder zu erfahren. Was macht ihnen Spass? Was erleben sie?
Was halten Sie von Minecraft?
Es ist ein super Spiel, weil es einen grossen Lerneffekt für die Kinder bereit hält. Es ist eines der weitverbreitetsten Spiele. Die integrierten Chatfunktionen halten aber Gefahren bereit, derer sich die Kinder und die Eltern bewusst sein müssen.
Kaltura
Was gilt es zu beachten?
Wir von Pro Juventute empfehlen folgende Regeln:
Gib persönliche Daten niemals ohne Absprache mit deinen Eltern bekannt.
Benutze im Chat nur Fantasienamen und mach keine richtigen Angaben zu deiner Person.
Webcam nur für Personen freigeben, die du persönlich kennst.
Gib keine persönlichen Geheimnisse preis.
Wenn du ein komisches Gefühl hast oder belästigt wirst, solltest du die Unterhaltung im Chat sofort abbrechen.
Glaube nicht alles, was man im Internet erzählt oder schreibt, und sprich mit deinen Eltern oder einer Vertrauensperson darüber.
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zvg
Laurent Sédano ist Programmverantwortlicher für Medienkompetenz bei Pro Juventute. Pro Juventute hat ein Merkblatt ausgearbeitet, das Eltern und Kindern erklärt, worauf sie bei Internetspielen zu achten haben. Internetspiele bieten nicht nur Gefahren. Sie machen auch viel Spass.
Wie schätzen Sie die Präventionsarbeit von Schulen ein?
Im Kanton Solothurn wird viel gemacht. Die Kantonspolizei besucht Klassen, spricht mit den Kindern über Internetgefahren. Die Schulen gehen aber unterschiedlich gut mit dem Thema um. Während einige es vorbildlich machen und aufklären, tun sich andere schwer. Medienbildung ist teil des neuen Lehrplan 21, dazu gehört auch, dass sich Schulen mit den Gefahren des Internets auseinandersetzen sollen und die Kinder im Umgang mit dem Internet zu schulen haben.
Reicht es, die Internetgefahr zu thematisieren?
Pro Juventute empfiehlt den Kantonen an Schulen eine regelmässige Medien-Stunde einzuführen. Die Regelmässigkeit verhindert, dass das Thema zwischen Stuhl und Bank fällt. Es ist enorm wichtig, dass Schulen die Kinder den Umgang mit dem Internet lehren, ihnen die Vor- und Nachteile erklären und auf die Gefahren aufmerksam machen. Das unterstützt sie. Es braucht aber verschiedene Akteure, die Eltern, die Schule, Schulsozialarbeit, Jugendberatungsstellen oder die Notrufnummer 147 von Pro Juventute. Ich finde es aber genauso wichtig, dass zum Beispiel die Polizei im Klassenzimmer das Thema mit den Kindern bespricht. Das macht Eindruck.