Nachhaltigkeit
Umweltpsychologe: «Kinderhaben ist umweltschädlich»
Die Zerstörung der Umwelt schreitet voran. Schädliches Verhalten im Alltag zu ändern aber fällt schwer. Weshalb? Ein Gespräch mit dem Umweltpsychologen Robert Tobias über Selbstbeschränkung, eingeflogene Papaya – und eine zu hohe Geburtenrate.
Robert Tobias (52) ist als Umweltpsychologe spezialisiert auf Verhaltensänderungskampagnen. Er arbeitet als Oberassistent des Fachbereichs Sozialpsychologie an der Universität Zürich. Er ist verheiratet und hat eine Tochter.
wir eltern: Die Umwelt ist in einem desolatem Zustand. Lässt sich das Ruder noch herumreissen?
Robert Tobias: Der Umwelt geht es nicht gut, das ist ein Problem. Die Biodiversität hat sich verringert, Ressourcen werden übernutzt, die Atmosphäre wird wärmer, die Abfallberge wachsen – wir hinterlassen Spuren.
Was hindert Menschen denn daran, weniger Fleisch zu essen, weniger Auto zu fahren – weniger zu konsumieren?
Menschen tun das, was sie für richtig befinden. Auf ein umweltbelastendes Verhalten verzichten sie nur, wenn sie eine umweltfreundlichere Alternative kennen und ausführen können und wenn sie diese für besser befinden. Wie ein Verhalten beurteilt wird, hängt nicht nur von dessen Kosten und Umweltfreundlichkeit ab, sondern auch von Emotionen, die damit verbunden sind oder davon, welches Verhalten andere zeigen und als gut oder schlecht betrachten.
Können Sie das an einem Beispiel erläutern? Warum pendeln so viele Leute Dutzende von Kilometern mit dem Auto?
Häufig fehlen Alternativen zu ressourcenintensiven Fahrzeugen. Wer ländlich und schlecht erschlossen wohnt und mit dem Auto zur Arbeit pendelt, kann nicht so einfach aufs Fahrrad umsteigen. Öffentliche Verkehrsmittel können in den Stosszeiten eine weniger umweltbelastende Alternative bieten, aber die Erschliessung des ländlichen Raumes mit öffentlichem Verkehr führt dazu, dass noch mehr Menschen aufs Land ziehen – und damit noch mehr gependelt wird.
Und weshalb verzichten die Menschen nicht aufs Fliegen – die grösste Dreckschleuder überhaupt?
Die wenigsten fliegen um des Fliegens willen – Fliegen an sich ist doch sehr unangenehm! Ausschlaggebend sind sicher die günstigen Flugpreise, aber auch das Flugziel: Vielleicht ist in der Ferne das Klima angenehmer, die Kosten fürs Hotel tiefer, die Menschen netter oder die Destinationen sind «in» und haben einen hohen Statuswert.
Minimalismus, Zero Waste, Veganismus – Selbstbeschränkung wird immer mehr zum Lifestyle. Wird damit etwas bewegt?
Menschen mögen Herausforderungen. Je höher das Ziel, das man sich gesetzt hat, desto befriedigender ist es, wenn man dieses erreicht. Je nach Umfeld gewinnt man damit auch an sozialem Status. Wenn ein Veganer aber statt Hühnerbrüstli eingeflogene Papayas isst, bringt das dem Klima nichts.
Umweltbewusst handelnde Menschen sind meist durchaus fähig, ihr Tun zu reflektieren…
Ich sage nur, dass der Impact solcher Bewegungen aus umweltwissenschaftlicher Perspektive gesehen oft eher klein ist. Viel gebracht hat der Umwelt hingegen das Modell der Kleinfamilie – hätten wir wie früher immer noch 10 Kinder, wäre die Lage verheerender.
Kinder zu haben schadet der Umwelt?
Überbevölkerung ist die mit Abstand wichtigste Ursache aller Umweltprobleme. Auf die Gefahr hin, Ihre Leserschaft zu vergraulen – ja, Kinder in die Welt zu setzen, ist umweltschädlich. Denn jeder Mensch braucht Ressourcen und produziert Schadstoffe, auch wenn er oder sie sich sehr umweltfreundlich verhält.
In der Schweiz liegt die durchschnittliche Geburtenrate pro Frau bei nur 1,5 Kindern…
Ein in der Schweiz geborenes Kind belastet im Laufe seines Lebens die Umwelt viel stärker als ein in Entwicklungsländern geborenes – im Vergleich zu Äthiopien 80-mal mehr.
Gut gebildete, umweltbewusst aufwachsende Kinder können doch dereinst mithelfen, die Klimakatastrophe zu verhindern…
Auch diese Kinder verbrauchen Ressourcen. Als kinderloses Paar kann man sehr lange in der Welt herumjetten, um gleich viel CO2 auszustossen. Positiv ist einzig die Entwicklung, dass man heute später Kinder hat – dadurch reduziert sich der Zeitraum, in dem Eltern und Kinder gleichzeitig die Umwelt belasten.
Ist Ihr Forschungsgebiet angesichts so viel Hoffnungslosigkeit nicht furchtbar deprimierend?
(Lacht) Nein, gar nicht! Ich bin Optimist. Der Klimawandel wird zwar kommen, selbst wenn wir ab sofort komplett auf Öl verzichten. Aber der Mensch ist sehr geschickt darin, Probleme anzupacken. Zudem ist Umweltschutz mittlerweile eine soziale Währung, mit welcher Geld und Macht zu gewinnen sind – das ist ein gutes Zeichen.