Menstruation
Menstruationsprodukte im Praxistest
Menstruieren ist ein Tabuthema. Doch es geht auch anders. Zwei Frauen testen Alternativen zu herkömmlichen Menstruationsprodukten. Und an ihren Gesprächen am WG-Tisch nahmen auch gerne Männer teil.
Obwohl die erste Menstruationstasse, die Daintette, bereits 1920 erfunden wurde und der Periodenslip um einiges älter ist als die Flügelbinde mit Klebestreifen, haben sich alternative Menstruationsprodukte nie wirklich durchgesetzt. So verbrauchen wir Frauen bis zur Menopause rund 16 800 Binden, Tampons und Slipeinlagen. Das ergibt bis zu 125 000 Tonnen Müll allein in der Schweiz. Pro Jahr. Doch seien wir ehrlich: Cup, Schwämmchen und Co. sind eine blutige Sache, und sauber bleiben da die Finger nicht. Wollen wir das? Ist das nicht unhygienisch?
Heute gibt es viele alternative Produkte, die man beim Grossverteiler, im Unverpackt-Laden oder Online kaufen kann. Hier geht's direkt zum Praxistest.
Zwei Frauen, eine angehende Psychologin und eine Sozialversicherungsfachfrau leben mit zwei Männern in einer Vierer-Wohngemeinschaft im Schweizer Mittelland. Nennen wir sie Nina und Meli. Die beiden Frauen Ende 20 benutzten bisher mehrheitlich herkömmliche Binden und Tampons. Für «wir eltern» testeten sie über drei Zyklen Alternativprodukte und versuchten das sogenannte «free bleeding».
Doch bevor sie über ihre Erfahrungen erzählen, wollen sie mit einem Tabu brechen. Es sei an der Zeit, sagen sie, die Dinge beim Namen zu nennen. «Menstruieren ist etwas Natürliches und betrifft mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung für eine recht lange Zeit in ihrem Leben», sagt Nina. Die beiden Frauen werden also offen übers Bluten reden. Und sie werden keine Begriffe verwenden wie «Erdbeerwoche» oder «Besuch von Tante Rosa».
Der Test und die Auseinandersetzung mit dem Thema hat zu interessanten Gesprächen mit Freunden und Mitbewohnern am WG-Tisch geführt. Die Frauen erfahren, dass Männer durchaus interessiert sind am Thema Menstruation. Sie hatten Fragen zu Zyklus und Eisprung und wie das funktioniert. «Männer bekommen mit, wenn ihre Partnerin vor der Menstruation schlecht gelaunt oder empfindlich ist, wissen aber nicht genau, warum. Informationen dazu helfen ihnen, verständnisvoll zu sein», so Meli.
Unwissen stellten die beiden Frauen aber nicht nur bei Männern fest, sondern auch bei sich selbst. Durch die Beschäftigung mit ihren Körpern haben sie neue Erfahrungen gemacht. «Bisher empfand ich das Menstruieren als eher nervigen Aspekt meines Frauseins. Mit dem Testen der alternativen Produkte kam ich intensiv mit meinem Körper in Berührung und spüre heute mehr Verbundenheit», sagt Nina.
Denn um etwa den Cup einzuführen, greift man tief in die Vagina, hat Blut an den Fingern. Oder etwa beim Auswaschen der wiederverwendbaren Produkte im Lavabo, dort, wo man sonst die Zähne putzt, rinnt Blut und Gewebe der Schleimhaut durch die Hände. «Das klappt nur, wenn du ekelresistent deinem Blut gegenüber wirst. Bei uns ist das im Laufe des Tests passiert. Es hat eine Enttabuisierung stattgefunden», erklärt Meli. Und dann erzählen die beiden Frauen, was sie beim Testen überzeugt hat und was eher weniger.
7 Menstruationsprodukte im Praxistest
Nina: «Ich hatte bis anhin angenommen, dass Menstruationsblut unkontrolliert aus der Vagina herausfliesst. Doch laut Erklärungen im Netz von Frauen, die das free bleeding praktizieren, soll es bei der Gebärmutter eine Delle geben, die sich mit Blut füllt. Mit etwas Übung soll Frau dieses Reservoir kontrolliert entleeren können. Dafür seien verschiedene Varianten möglich, die man auf dem Klo einüben könne, etwa mit schaukelnden Bewegungen des Beckens über der Toilette oder im Schneidersitz. Das ist die Theorie.»
Meli: «Fazit: Wir sind gescheitert. Das hat überhaupt nicht geklappt. Nicht beim Schaukeln, und schon gar nicht im Schneidersitz, der für mich als nicht sehr gelenkiger Mensch sowieso ein Ding der Unmöglichkeit ist. Eine Youtuberin hat zudem empfohlen, Röcke zu tragen, damit man sich auch unter Büschen entleeren könne, falls der Zugang zu einer Toilette nicht möglich ist. Nur schon der Gedanke geht für mich nicht. Für diese Variante fehlt mir der Wille und die spirituelle Veranlagung.»
Nina: «Die richtigen Bewegungen herauszufinden, um diese Delle, die man weder spürt noch sieht, entleeren zu können, war auch für mich schwierig. Diese Form des alternativen Menstruierens ist für mich nicht praktikabel und fern der Lebensrealität von berufstätigen Frauen. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass es funktioniert, wenn man das übt und in einen entsprechenden Achtsamkeitsmodus fallen kann.»
Der Menstruationsslip
Meli: «Für uns ist der Menstruationsslip der klare Testsieger. Die Slips gibt es in verschiedenen Grössen, Designs, mit unterschiedlichen Einlagen je nach Stärke der Mens. Ein Slip sollte laut Anbieter bis zu zwölf Stunden dicht bleiben. Ich liess es draufankommen und trug den Slip ohne zusätzliche Einlagen während einem Acht-Stunden-Bürotag. Tatsächlich war der Slip zuverlässig, das Blut wurde aufgesogen, kein Durchsickern auf die Kleider, kein Wechseln nötig.
Was man vielleicht bedenken sollte, ist, dass an Tagen mit starker Blutung ein Ersatzslip von Vorteil sein könnte. Denn nach etwa fünf Stunden fing es an zu riechen. Es war kein ekliger Gestank, sondern es roch eher nach Eisen. Aber halt ungewohnt. Bei mittlerer Blutung konnten wir den Slip über neun Stunden problemlos und ohne Geruchsemissionen tragen. Genauso an einer durchzechten Partynacht.»
Nina: «Wir hatten schöne, schwarze Slips in sportlichem Design, die in den Stoff eingenähte Einlage reicht vom Gesäss hinten bis nach ganz vorne. Bis man sich daran gewöhnt hat man so etwas wie ein Windelgefühl. Die Unterhosen werden mit Waschnetz und Transportsäckchen geliefert. Die Slips wäscht man zuerst von Hand aus und dann im Waschnetz in der Waschmaschine. Gewaschene Slips brauchen relativ lange, bis sie trocken sind.»
Menstruationsslips: ➺ periodenslip.com
Der Stofftampon
Meli: «Wir haben alle Stoffprodukte vor Verwendung gewaschen. Den Stofftampon rollt man danach ein, bindet das dazugehörende Schnürchen drum und führt ihn ein. Das ist ein bisschen umständlich und ohne Anleitung, die bei der Lieferung fehlt, ein «Geknübel». Beim Tragen habe ich keinen Unterschied empfunden zu einem herkömmlichen Tampon. Er sass gut, war dicht. Aber natürlich ist zusätzlich eine waschbare Binde oder Slipeinlage empfehlenswert, wie bei Wegwerftampons auch. Für mich ist der Stofftampon okay, aber ganz klar das Schlusslicht der getesteten Produkte.»
Nina: «Dem schliesse ich mich an. Ich finde auch, dass das Zusammenrollen umständlich ist. Beim Auseinanderrollen des gebrauchten Tampons hat man zudem die Finger noch mehr voller Blut als bei den anderen Produkten. Ein Transportsäckchen sollte meiner Meinung nach standardmäßig dazu geliefert werden. Das fehlte hier. Muss man ein Plastiksäckchen benutzen, um die gebrauchten Tampons zu transportieren, ist der Umweltaspekt, um den es hier ja hauptsächlich geht, nicht erfüllt.»
Stofftampons: ➺ windeline.ch
Die Stoffbinde
Meli: «Im Stoffbinden-Set sind drei Ausführungen enthalten, zwei Binden für den Tag, zwei für die Nacht und zwei Slipeinlagen. Man fixiert die Flügelbinde per Knopfdruck unterhalb des Slips. Ich habe die Stoffbinde für die Nacht wegen des weichen Stoffcharakters als sehr angenehm empfunden. Das hat auch super funktioniert, da ging nichts daneben. Die Binde für den Tag ist etwas unangenehm. Denn bewegt man sich viel, hat man ein unsicheres Gefühl, dass sie nicht wirklich «an Ort und Stelle» bleibt, da sie nicht fest fixierbar ist. Doch letztendlich ist es nur das Gefühl, daneben gegangen ist nichts.»
Nina: «Ja das habe ich auch so empfunden. Meine Testprodukte waren zudem hellblau, da sah man die Blutflecken natürlich sehr gut. Der Hersteller empfiehlt, die Binden bei 40 Grad zu waschen. Sie sind dann zwar sauber, aber nicht fleckenfrei. Fleckige Binden wieder einzulegen ist jedoch ein bisschen ‹unappetitlich›. Kalt auswaschen im Voraus, ist auf jeden Fall empfehlenswert.»
Meli: «Ich habe sie gegen die Empfehlung 60 Grad in der Maschine gewaschen. Die Flecken waren dann weg und der Stoff war auch nicht eingegangen.»
Stoffbinden: ➺ ecovisions.ch
Der Schwamm
Nina: «Ich hatte es bereits vor Jahren mal mit einem Schwamm versucht. Weil ich sehr kurze Finger habe, konnte ich das Schwämmchen nicht richtig greifen und habe es beinahe nicht mehr rausbekommen. Ich konnte ihn nur noch rauspressen, das war dann sozusagen eine Schwammgeburt. Das wollte ich nicht mehr. Darum habe ich dieses Produkt nicht getestet.»
Meli: «Auch mit längeren Fingern ist es ein ziemliches Geknübel. Ich überlegte mir, einen Faden analog einem Tampon-Faden anzunähen, weil der Schwamm wirklich sehr überzeugend und angenehm ist. Er passt sich völlig dem Körper an, ist sehr bequem. Die kompakten Schwämmchen gibt es in zwei Grössen. Man macht den Schwamm richtig nass, drückt ihn aus und führt ihn ein. Während etwa vier Stunden war er absolut dicht. Zuerst wird er im Lavabo vor- und dann in der Waschmaschine ausgewaschen werden.»
Schwamm: ➺ circleshop.ch
Der Cup
Nina: «Das Konzept des Cups ist sehr gut und sinnvoll. Den oberen Rand zweimal falten, den Cup zusammenquetschen und einführen, bis er bequem im Vaginalgang sitzt und das Blut auffängt. Alle paar Stunden kann man ihn an der Lasche rausziehen, ins Klo entleeren und wieder einführen. Das hat bei mir gut funktioniert. Beim Einführen entsteht eine Art Vakuum, deshalb muss man den Becher beim Rausnehmen etwas zusammendrücken, damit er sich löst. Die Lasche zu erreichen ist bei mir wiederum ein Problem der kurzen Finger.
Ich empfand bei meinem Produkt das Silikon zudem etwas zu hart. Gerade in den ersten beiden Tagen der Menstruation, an denen ich im Vaginalbereich empfindlicher bin, hat es mich geschmerzt und war nicht angenehm. Die Anbieterin war sehr engagiert und fragte nach, wie wir uns mit unseren Cups fühlten. Sie empfahl mir eine weichere Silikonvariante mit längerer Lasche, die ich gerne versuchen werde.»
Meli: «Ich hatte mit meinem ersten Cup auch Probleme, vor allem bei der Anwendung. Die Anbieterin schickte mir ein anderes Modell. Das hat dann richtig gut funktioniert. Man muss jedoch üben, bis mans drauf hat und den Cup richtig falten, quetschen, platzieren und wieder entfernen kann. Das ist so ein bisschen fieselig. Als Sicherheit habe ich anfangs zusätzlich eine Binde eingelegt. Bei dieser Variante ist man am meisten konfrontiert mit Blut und sonstigem Inhalt, alles ist pur und flüssig und noch da. Unangenehm war es mir, als ich bei Freunden zu Besuch war und dort den Cup auswaschen musste.»
Nina: «Das muss man ja nicht zwingend, man kann ihn leeren und wieder einsetzen, ohne ihn zu waschen. Es reicht, wenn man ihn einmal am Tag richtig auswäscht. Am Ende der Mens empfiehlt es sich, ihn mit kochendem Wasser zu übergiessen und gründlich auszuwaschen, um alle Keime abzutöten.»
Menstruationstasse: ➺ adios-gmbh.ch
Die kompostierbare Binde
Meli: «Zusätzlich zu den wiederverwendbaren Artikeln haben wir kompostierbare Binden zum Testen bekommen. Ich bin seit Kind Neurodermitis-Betroffene und kann lediglich Utensilien verwenden, die weder parfümiert, vorbehandelt noch gebleicht sind. Ansonsten löst es bei mir sofort Allergien aus. Ich muss da sehr vorsichtig sein und war erst auch bei diesen Binden eher skeptisch. Optisch sind es normal aussehende Binden. Aber da recycelbar, hinterlassen sie bei der Verbrennung keine Schadstoffe. Sie sind sehr angenehm, super safe, können selbst mit den herkömmlichen dicken Binden für starke Perioden top mithalten. Und sie sind erst noch um einiges dünner.
Bei mir haben sie keine Allergie ausgelöst. Ich werde diese Binden sicher wieder kaufen. An Grenzen gestossen sind wir beim Thema kompostieren. Auf der Verpackung dieses schwedischen Produkts stand der Hinweis, man soll sich bei der lokalen Entsorgungsstation informieren. In Solothurn wird der Kompost lediglich einmal die Woche abgeholt. Die Möglichkeiten, die Binden zu sammeln, ohne dass Geruchsemissionen entstehen, sind begrenzt. Darum haben wir sie im normalen Müll entsorgt.»
Nina: «Ich empfand die Binde auch als sehr angenehm, irgendwie kühl und weicher als normale Binden. Doch eben, die gebrauchten Binden zwischen unseren Karotten- und Kartoffelschalen im WG-Kompostkübel zu entsorgen, das fände ich schon eher unhygienisch. Einfach schon vom Gefühl her. Auch leben wir mit männlichen WG-Mitbewohnern, die nicht unsere Partner sind. Vielleicht würden die Leute der Grünabfuhr die Binden sogar entfernen, weil sie Kehrichtabfall vermuten würden? Ich weiss es nicht. Aber die Idee des Kompostierens ist grundsätzlich absolut super. Wirklich eine echt gute Sache.»
Bio-Binden Eco by Naty: ➺ ecovisions.ch
Als Quereinsteigerin in den Journalismus schreibt Anita Zulauf erst für die «Berner Zeitung», die Migrationszeitung «Mix», nun bei «wir eltern» und als freie Journalistin bei dem Kulturmagazin «Ernst». Sie mag Porträts und Reportagen über Menschen-Leben und Themen zu Gesellschaft und Politik. Als Mutter von vier Kindern hat sie lernen müssen, dass nichts perfekt, aber vieles möglich ist.