Persönlich
Matto Kämpf (40)
Ich glaube, ich bin ein Durchschnittsvater, kein Superdaddy, aber auch kein ganz mieser. Wenn ich Angst hätte, ein « Rabenvater » zu sein, hätte ich mein Buch wohl nicht so getauft.
Ich bin kurz nach der Geburt 40 geworden, da bist du an einem anderen Punkt im Leben als zwischen 20 und 30. Vielleicht hätte ich früher das Gefühl gehabt, ein Kind hindere mich daran, mein eigenes Leben zu leben. Jetzt habe ich das überhaupt nicht. Es ist eine Bereicherung, wenn auch eine anstrengende.
Es gibt böse Zungen, die behaupten, das Kind tue mir gut. So im Sinn von : Es lenkt den Fokus weg von deinem Künstler- Ego. Und ganz Unrecht haben sie wohl nicht. Ich ertappte mich vor Kurzem selber. Ich stand mit dem umgeschnallten Grotil – so heisst das Kind in meiner Kolumne – in der Migros und merkte, dass ich gerade eine meiner psychischen Baissen habe. Früher hätte ich dem Raum gegeben, gegrübelt und nach Ursachen gesucht. Heute sag ich mir : Das kleine Ding braucht etwas zu essen, also kauf ein. Das Leben geht weiter. Ich stecke sogar dreitägige Schreibstaus weg, ohne sie richtig zu realisieren. So ein Kind beschäftigt einen ja rund um die Uhr. Wenn du einen Säugling betreust, kommst du tagtäglich in Situationen, von denen jede einzelne eine ganze Kolumne wert wäre. Du nimmst zum Beispiel das Kind mit auf die Toilette, bloss weils grad «losgrännet », wenn du wegläufst. Erzähl das mal jemandem, der noch keine Kinder hat ! Er wird dich für einen Idioten halten.
Dieser Dauereinsatz führt dann zu weiteren absurden Momenten. Wenn ich ein paar Stunden mit dem Grotil verbracht habe und danach an eine Besprechung muss, fühlt sich das an, als wenn ich endlich Zeit hätte, ein Hobby zu pflegen. Ein Blick in die Gesichter der anderen zeigt mir dann : Ah genau, die sindja hier am Arbeiten.
Wir teilen uns die Betreuung. Meine Freundin arbeitet 70 Prozent als Lehrerin. Tagsüber war bis anhin also meist ich zuständig, abends und an den Wochenenden sie. Da ich mehrheitlich als Freelancer oder an eigenen Projekten arbeite, klappte das ganz gut. Seit dieser Woche geht das Grotil drei Tage in eine Kindertagesstätte. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Ich konnte diesen Interview-Termin abmachen, ohne mich vorher mit meiner Freundin abzusprechen. Fast surreal.
Im Moment schreibe ich viel im Auftrag von Theatern. Jetzt grad ein Kindertheaterstück. Zufall ! Dann übertrage ich ein Theaterstück aus dem Österreichischen und schreibe an eigenen Sachen. Mein typisches Durcheinander halt.
Ich bin keiner, der das Steuerrad seines Lebens in der Hand hält. Das Leben fährt so vor sich hin und ich stolpere mit. Zum Glück bin ich bis jetzt noch nie gröber in etwas reingedonnert.
Das Grotil ist da eine löbliche Ausnahme – wir haben es tatsächlich schon fast geplant. Trotzdem waren wir nicht ideal vorbereitet, als es ankam. Wir wohnten zusammen mit zwei Katzen in einer Zweizimmerwohnung. Das Grotil wurde also sozusagen in chinesische Verhältnisse geboren.
Als die Anfrage kam, ob ich Kolumnen über mein Vaterwerden schreiben würde, habe ich mir überlegt, wie es für das Grotil sein wird, diese später einmal zu lesen. Es gab Kollegen, die spotteten : der Kämpf macht jetzt Kindsverwertung. Ich selber habe kein Problem damit. Ich habe ja nicht vor, die Buchserie bis zur Konfirmation weiterzuziehen. Während des Schreibens bin ich allerdings immer wieder an eigene Grenzen gestossen. Ich erinnere mich an die Kolumne über ältere Frauen im Tram, die immer alles besser wissen und einem das Kind am liebsten entreissen würden. Da habe ich zuerst geschrieben : Das ist mein Kind und wenn ich wollte, könnte ich es in Bern die Kirchenfeldbrücke runter schmeissen. Beim zweiten Durchlesen des Textes musste ich den Satz wieder rausnehmen, es ging einfach nicht. Ich bin irgendwie milder geworden. Ich will nicht räss sein zu meinem Kind. Was meine Freundin zu den Kolumnen sagt ? Sie ist einverstanden damit und gleichzeitig deren strengste Kritikerin. Nicht wie vielleicht erwartet, weil ich zu viel verraten hätte. Sie sagt manchmal einfach : «Matto, das sind jetzt wieder einmal viel zu viele Zeichen für viel zu wenig Inhalt.»