Kinderwagen
Kinderwagen: Modelle für jedes Bedürfnis
Von Muriel Gnehm
Von Hightech-Gerät bis zu unverwüstlichem Gefährt: Auf dem Kinderwagenmarkt muss man sich vor einem Kaufentscheid erst mal gut orientieren.
Ein Kinderwagen, der fast alleine den Berg hinaufdüst? Ja, das gibt es. Direkt neben den trendigen E-Bikes kann nun der noch feschere E-Kinderwagen parken, der mit einem Motor an der Hinterradachse ausgestattet ist. Dieser fühlt sich selbst mit dem Wocheneinkauf im Korb wie ein Leichtgewicht an, das problemlos jeden Berg hinauf- und wieder heruntersaust. Dabei verliert er auch die Kontrolle nicht, da die neue Technologie aussetzt, sobald eine Geschwindigkeit von 6 km/h erreicht ist.
Denkt man an die 1950er-Jahre zurück, hat sich viel getan auf dem Kinderwagenmarkt. Damals glichen die Gefährte Frachtschiffen, die schwer zu manövrieren und nur mit ehrgeizigem Krafttraining eine Treppe hinaufzutragen waren. Zudem mussten nicht wenige einen Monatslohn auf die Seite legen, um sich bei der Ankündigung des ersten Kindes einen Wagen kaufen zu können.
«Heute sind die Kinderwagen viel, viel günstiger geworden. Ein paar hundert Franken reichen für ein schönes Modell», sagt Stefan Graf, der seit zehn Jahren Kinderwagen verkauft und Mitglied der Geschäftsleitung von der Babyartikelfirma Bamag in Fehraltorf ist.
Drei Räder waren revolutionär
Die Revolution rollte mit dem ersten Drei-Rad-Kinderwagen an, der vor rund 20 Jahren auf den Markt kam. «Das Vorderrad dieses Wagens war beweglich und nicht mehr starr», sagt Susanne Sprenger, seit über 30 Jahren im Kinderwagengeschäft und Inhaberin des Füglistaller Baby-Rose in Dietikon. In der Folge davon hätten nach und nach auch die Vier-Rad-Wagen schwenkbare Vorderräder erhalten.
So sind die Kinderwagen heute leichter und funktionaler als früher. Leichter deshalb, weil die meisten Modelle aus Aluminium und Kunststoff bestehen und nicht mehr aus Stahl. Funktionaler, weil die Vorderräder schwenkbar sind, die Wagen gefedert und die Räder mit Luft gefüllt sind oder aus Luftkammern bestehen. Zudem lassen sich die Kinderwagen zusammenklappen, der Sportsitz lässt sich in verschiedene Positionen einstellen, und zu vielen Modellen findet man Zubehör wie Skier, Autositze und Buggy-Boards im Angebot.
Hightech fürs Baby
Und doch ist heute nicht alles besser als früher, wie Graf sagt: «In den Fünfzigern überdauerten die Kinderwagen mehrere Generationen. Heute sind die Wagen nicht mehr so stabil wie damals.» Die aktuellen Vorteile überwiegen allerdings: Der Stoff zum Beispiel hat meistens einen UPF 50+ und ist schadstoffgeprüft. Und die Babys liegen und sitzen besser in den Wannen und Sportsitzen und werden nicht mehr so durchgerüttelt wie früher.
Aber worauf soll man beim Kauf achten? «Das Wichtigste ist, dass der Kinderwagen zum täglichen Leben und den dazugehörigen Bedürfnissen passt», sagt Graf. «So soll etwa ein Outdoor-Mensch keinen schicken Hightech-Kinderwagen kaufen – und einer mit einem Auto mit kleinem Kofferraum kein Kreuzfahrtschiff.» Man sollte also besser nicht auf die Tipps von Bekannten hören, sondern sich selber überlegen, welches Modell am besten zu einem passt. Auch Sprenger sagt, dass sie ihre Kund* innen stets frage, wie sie leben und wohnen würden. «Die Leute haben heute alle ihren individuellen Lebensstil und zu diesem muss der Wagen passen.»
Ein Überblick gefällig? Wir haben sechs Modelle zusammengestellt, die unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden und derzeit zu den beliebtesten Kinderwagen auf dem Markt gehören. Der neueste davon sogar mit Zugpferd: der e-Priam von Cybex, der fast schon alleine spazieren fährt.
Der klassische Hipster
Condor Coupé Kombikinderwagen von Hesba: Der Condor Coupé ist wohl unumstritten der Schönheitskönig unter den Wägen, die derzeit in den Parks kursieren. Der nostalgische und schicke Kombikinderwagen verzichtet dennoch nicht auf aktuelle Annehmlichkeiten: Er ist gefedert, sein Schieber ist höhenverstellbar, und es gibt einen Sportsitz dazu, dessen Rückenlehne ebenfalls verstellbar ist, sodass er in nichts seinen Altersgenossen hinterherhinkt. Ausser vielleicht im Gewicht: Das Stahlgestell bringt zusammen mit dem Wagen doch fast 20 Kilogramm auf die Waage, was Reisen – selbst mit einem Offroader – beschwerlich machen dürfte.
Der widerstandsfähige Naturbursche
TFK Mono: Der Drei-Rad-Kombikinderwagen meistert dank seiner grossen Räder und der Federung jedes Terrain. Er trägt den liebevollen Spitznamen Traktor, und ist vor allem bei Eltern beliebt, die täglich ihre Runden im Wald oder auf dem Berg drehen. Auch joggend, denn der Wagen ist in der Sitzstellung offiziell zur sportlichen Nutzung zugelassen. So hat er eine Scheibenbremse, die sich per Hand bedienen lässt. Und sobald die Kleinen etwas von der Welt sehen möchten, lässt sich das Kopfteil der Babywanne erhöhen, ohne sofort auf den Sportsitz umstellen zu müssen.
Der wendige Wald- und Asphaltgänger
Joie Litetrax 4 dlx: Bei diesem Modell macht man nichts falsch. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt auch für jene mit dünnerem Portemonnaie: Der Buggy fährt dank seiner gefederten Räder über holprige Pisten genauso ruhig wie über frisch präparierte Gehsteige. Das Verdeck ist so gross, dass selbst die Beine der Kinder vor der Sonne geschützt sind, die Bezüge sind schadstoffgeprüft, Rückenlehne und Schieber sind verstellbar, und der Wagen ist mit einer Hand zusammenklappbar. Der Sportsitz kann hingegen nur in Fahrtrichtung montiert werden.
Der motorisierte Flitzer
Cybex e-Priam: Dieser Wagen ist mit einem Motor ausgestattet, der das Schieben selbst dann zum Kinderspiel macht, wenn es bergauf geht. Und geht es stark abwärts, verlangsamt er die Fahrt entsprechend. Der Wagen, den es auch ohne Motor zu kaufen gibt (Cybex Priam), hat eine Allrad-Federung. Beim Design liess sich Cybex von dem Designerpaar Ray und Charles Eames inspirieren. Das Modell ist nicht gerade günstig, bietet dafür aber jeden Komfort, den man sich wünschen kann. So können Babys in Bauchlage zum Beispiel durch ein Sichtfenster aus der Babywanne blicken, die Matratze ist atmungsaktiv und der Sportsitz ist genauso hoch, dass er als Hochstuhlersatz an Picknicktischen dient.
Der schlanke Städter
Maclaren Atom Buggy: Mit seinen 5,5 kg ist der Atom Buggy ein Leichtgewicht. Das Fahrgestell besteht aus dem gleichen Aluminium, wie es für Luftfahrtzeuge verwendet wird. Auch deshalb ist das Modell bei Städtern beliebt: Selbst in alte Trams kann dieser Kinderwagen ohne Hexenschuss gehievt werden. Zudem hat er – zusammengeklappt – das Mass eines Trolley-Handgepäcks, weshalb er ein treuer Flugbegleiter ist. Komfort bietet er dennoch: Der Wagen ist gefedert, die Rückenlehne ist bis in die flache Liegeposition verstellbar und das grosse Sonnendach lässt die Kleinen friedlich schlummern.
Der nachhaltige Alleskönner
Joolz GEO²: Dieses Modell ist bei umweltbewussten Menschen besonders beliebt: Der grosse Einkaufskorb ist bis zu 10 kg belastbar und abnehmbar, sodass ein Auto überflüssig wird. Aber auch für all jene, die ihre Familienplanung beim ersten Kind noch offenlassen, ist er eine gute Wahl: Mit dem entsprechenden Erweiterungsset kann er zum Geschwister- oder Zwillingswagen umgebaut werden. Zudem ist die niederländische Marke Joolz fleissig daran, verschiedene Kinderwagenmodelle mit nachhaltigem Stoff aus recycelten Plastikflaschen auf den Markt zu bringen, so auch beim GEO².