Kinder behindern Mutters Karriere? Manchmal. Aber auch das Gegenteil ist möglich.
Es gibt Themen, die haben einen sehr langen Bart. Kind und Karriere ist eines davon. Jedes Argument tausendfach gehört. Jede Klage mehrfach beseufzt. Alles gedreht, gewendet, beredet, zerredet zuweilen auch begähnt.
Doch das Gute an betagten Themen mit Bart bis zum Boden ist: Eines Tages tritt man auf diese zauseligen grauen Haare, stolpert, guckt sich den Grund dafür genauer an. Und plötzlich stellt sich die Frage: Stimmt das, was wir aus Gewohnheit gebetsmühlenartig wiederholen: Sind Kinder wirklich Schuld an einem mütterlichen Karriereknick? Könnte es nicht verzwickter oder differenzierter sein? Könnte gar das Gegenteil wahr sein, ein Kind manchmal zu einem Karrierekick statt Karriereknick führen? Kann es.
Finanzielle Unabhängigkeit
Nicht immer ist ein Kind beruflich ein Klotz am Bein. Manchmal ist es auch genau dieser Klotz, der hilft, nach oben zu klettern. Und das Klettern auf der Karriereleiter ist jungen Frauen heute genauso wichtig wie Männern.
Laut der neusten «Brigitte»-Studie «Mein Leben, mein Job und ich» – für die das Meinungsforschungsinstitut Ipsos über 2000 Frauen und Männer zwischen 18 und 69 Jahren befragte – antworteten 48 Prozent der Frauen, beruflicher Aufstieg sei ihnen wichtig. 94 Prozent nannten finanzielle Unabhängigkeit als wichtigstes Ziel im Leben. 79 Prozent stuften «eine gute Arbeit» als zentrales Bedürfnis ein – und nur noch 68 Prozent der Frauen wünschten sich, Kinder zu haben. Warum so wenige? Weil Kinder den beruflichen Ambitionen im Weg stehen? Weil jede Dritte findet, die Vereinbarkeit von Job und Kindern sei heute sogar noch schwieriger als vor zehn Jahren? Rund 80 Prozent beider Geschlechter der Ansicht sind, Frauen stünden heute unter einem stärkeren Druck als früher? Kann sein.
Kann auch sein, dass junge Frauen davon ausgehen, später ebenfalls zu jenen 80 Prozent der Mütter mit dauerschlechtem Gewissen zu gehören. Zusätzlich zum Job – wie Studien und private Erfahrung lehren – auch noch die Hausarbeit stemmen zu müssen. Oder vielleicht fürchten sich junge Schweizerinnen vor den proportional zum Einkommen weltweit höchsten Kinderfremdbetreuungskosten, davor, dass der Partner keine Lust hat, zu den zehn Prozent der teilzeitarbeitenden Vätern zu gehören. Und dann ist da noch dieses Bild im eigenen Kopf von der allzeit sorgenden, aufopferungsvollen guten Mutter. Was, wenn sich das ständig ungebeten in den Arbeitsalltag drängelt und Tropfen für Tropfen die Freude am Job vergiftet? Was dann?
Vermausung ist kein Schicksal
Das alles sind berechtigte Befürchtungen. Nur eintreffen müssen sie nicht. Schliesslich ist der weibliche Lebenslauf – grosse Liebe, kleine Kinder, kleines Arbeitspensum, kleine Karriere, kleine Rente – nicht zwingend. Die «Vermausung» der Frau, die Bascha Mika in ihrem Buch «Die Feigheit der Frauen» anprangert, ist kein Schicksal. Das nehmen immer mehr Frauen lieber selber in die Hand.
Ein Perspektivenwechsel hilft dabei enorm. Statt aufzulisten, was eine Mutter wegen der Kinder beruflich schlechter kann, lohnt es sich, anzugucken, was sie überhaupt nur wegen der Kinder kann oder wegen der Kinder besser kann: Kinder sorgen für Geschäftsideen, für eine andere Sicht auf die Welt, sie pimpen Verantwortungsgefühl und Organisationstalent, Gelassenheit und Kreativität, Empathie, Effizienz, Belastbarkeit und Struktur im Leben. Sie fördern sämtliche der hochgepriesenen «Business Soft Skills» – und sie machen (meist) glücklich. Das ist doch kein schlechter Proviant für den Weg nach oben.
Wir haben mit Frauen gesprochen, die vor allem ihren Kindern verdanken, dass sie genau das Leben führen, das sie wollen und die beruflich erfolgreich sind, nicht obwohl sie Mutter sind, sondern weil sie Mutter sind. Beispiele für den Karrierekick statt Karriereknick.