Freizeit Skateboarden
Kids on Boards
Skaten ist cool und bei Familien so populär wie nie. Wir haben Kinder und Eltern getroffen, für die Skaten Lebensstil und Leidenschaft ist. Und geben Tipps für den Einstieg.
Zoe Van Essen (15), Davos
Zoe besucht die Talentschule in Davos, eine Sekundarschule, die es ihr ermöglicht, nachmittags für ihre beiden Disziplinen Freeski und Skateboarding zu trainieren. Sie ist die Einzige in ihrer Klasse, die zwei Sportarten macht. Zoe reist viel und nimmt an Wettbewerben teil. Da sie schon an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt gelebt hat, spricht sie fliessend Holländisch, Deutsch, Englisch und Chinesisch.
«2021 habe ich im Skaten die Schweizer Meisterschaften und die World Rookie Tour in Hamburg gewonnen. Das ist die grösste Action-Sport-Jugendserie der Welt. 2022 fuhr ich in Basel am European Open mit. Trotzdem muss ich immer noch Sprüche einstecken, wenn ich im Skatepark als einziges Mädchen skate. Aber wenn die Jungs dastehen und lachen, ist es ihr Problem, nicht meins.
Ich habe eine klare Vorstellung, wo ich hinmöchte, und trainiere einmal in der Woche mit meinem Coach Simon Stricker in der Freestyle Academy in Winterthur. Wir setzen Ziele und er sagt mir, was es braucht, um irgendwann auf ein Olympia-Level zu kommen. So ein richtiges Vorbild habe ich nicht, aber ich finde es toll, wie weit Frauen im Skaten gekommen sind. Ich bewundere die Schweizerin Liv Broder. Sie ist gleich alt wie ich und bereits im Nachwuchs-Olympiateam. Manchmal skaten wir zusammen oder tauschen uns aus. Ansonsten gibt es auf diesem Niveau nur wenige Girls.
Beim Skaten geht es um viel mehr als nur um den Sport. Ich schaue mir gerne Skatevideos an, die Einblicke hinter die Kulissen und Leben der einzelnen Skater:innen zeigen. Mich interessiert, woher sie kommen und was sie motiviert. Ich habe durch das Skaten gelernt, nicht so schnell aufzugeben. Skaten bedeutet wirklich alles für mich. Ohne Skaten hätte ich nicht so viel Spass im Leben.»
Zoe Van Essen
Philippe, Anne-Sophie und Jeanne Gacond, Aarau
Philippe lebt mit seiner Familie in Aarau, skatet seit über dreissig Jahren und rollt bei schönem Wetter mindestens dreimal die Woche mit seinen beiden Mädchen Jeanne (10) und Anne-Sophie (8) durch die Stadt. Sie fahren durch Strassen, üben Tricks und skaten in der Miniramp. Dank seinen Töchtern steht Philippe wieder regelmässig auf dem Brett.
Philippe (42)
«Skaten ist für alle. Egal welche Gesinnung, welches Alter und welches Geschlecht sie haben. Bereits als ich klein war, war Rollbrettfahren extrem generationsübergreifend. Ich habe mit zehn angefangen und traf auf dem Skateplatz den 18-jährigen Sambo, der mir alles zeigte und mir die Regeln erklärte. Das war ein Geschenk für mich.
Ich finde es das Grösste, wenn ich abends mit meinen Mädchen eine Runde skaten kann. Wir fahren dann meistens bei Sonnenuntergang die Strasse runter. Es ist das geilste Gefühl, das es gibt. Wenn ich mal alleine skate, werde ich halb depressiv. Aber Anne-Sophie und Jeanne kommen nicht jeden Tag nach Hause und wollen skaten. Manchmal muss ich sie ein wenig zu ihrem Glück zwingen. Vor allem, wenn sie schlecht drauf sind. Sobald sie dann aber auf dem Brett stehen, sind sie hoch konzentriert. Sie feuern sich gegenseitig an und wollen weiterkommen. Wettkämpfe sind bei uns kein Thema. Ich geniesse es, dass sich meine Kinder mit dieser Lebensart identifizieren. Sie sind voll drin. Manchmal habe ich Angst, dass sie ihr Interesse verlieren, wenn sie in die Pubertät kommen und genau das Gegenteil von mir machen wollen. Bei mir war es auch so. Einfach umgekehrt. Ich habe als Teenager geskatet, damit ich mal was alleine ohne meine Eltern machen konnte.»
Jeanne Gacond
Jeanne (10), links im Bild «Ich und meine Schwester skaten nicht, nur um zu fahren oder um mit einem Skateboard in der Hand herumzulaufen. Das tun nur Fake-Skaterinnen, die mit den Jungs zusammen sein wollen. Wir sind echte Skaterinnen. Mit vier habe ich mein erstes Skateboard bekommen. Manchmal üben wir auf einer neu geteerten Strasse, weil der Untergrund besser ist, manchmal gehen wir mit Papa in die Miniramp auf die Brache bei uns in Aarau. Wenn viele Leute da sind, ist es besser, einen Helm zu tragen, auch wegen der anderen Fahrer.
Ich schaue zuerst, was ich machen will und setze mir dann ein Ziel. Ich probiere neue Tricks, aber schaffe sie nicht immer gleich auf Anhieb. Wenn man es schon ein bisschen kann, dann geht es nicht so lange. Was ich den anderen Kindern mit auf den Weg geben würde? Man sollte zuerst fahren lernen, bevor man Tricks übt und man muss wirklich wollen.»
Anne-Sophie (8)
«Wir gehen eigentlich immer mit Papa skaten. Manchmal verbinden wir unsere Runden mit einem Besuch am Kiosk, aber das ist nicht der Grund. Wir haben Spass auf dem Brett. Aber zur Schule dürfen wir nicht mit dem Skateboard. Manchmal fallen wir beim Üben um, aber wir bluten nicht fest. Papa sagt, wir hätten Gummiknochen. Man merkt schon an unseren Kinderzimmern, dass wir Skaten cool finden. Wir haben sehr viele Stickers von Skateboardbrands.»
Guy und Nouel Kämpfen, Zürich
Guy war in den 2000er-Jahren einer der bekanntesten Schweizer Skater und pendelte zwischen Kalifornien, dem Epizentrum der internationalen Skateboardszene, und der Schweiz. Er zählt zu den wenigen Europäern, die sich international als Skateboardprofi behauptet hatten. Seine Karriere endete mit einer Fussverletzung. Guys ältester Sohn Nouel skatet am liebsten zusammen mit seinen Freunden und manchmal auch mit seinem kleinen Bruder Gilles, der erst angefangen hat zu skaten.
Guy (43)
«Damals, als ich angefangen habe zu skaten, waren das Material und die Marken noch neu. In dieser Zeit wurden all die Tricks erfunden. Das war uns gar nicht bewusst. Heute ist das Niveau viel höher und man findet in fast jeder Schweizer Stadt einen Skatepark oder eine Rampe auf dem Schulhof. Heute passiert alles in Echtzeit. Jemand macht einen Trick und ein paar Stunden später ist es bereits auf Social Media. Früher dauerte es zum Teil bis zu einem Jahr, bis ein neues Skatevideo rauskam.
Meine Söhne, Nouel und Gilles, schauen sich manchmal alte Videos an, in denen ich mitfahre. Meistens dann, wenn wir Besuch haben. Jetzt sind die Kinder noch stolz, später schämen sie sich dann vielleicht. Leider haben mich die beiden noch nie richtig gut skaten gesehen, weil mein Fuss kaputt ist. Ich habe es immer geschätzt, dass ich so skaten konnte, wie ich Lust hatte. Die Kreativität und Freiheit, die von diesem Sport ausgehen, sind endlos. Es war für mich nie ein Training. Ich komme aus einer Generation, wo man gar nicht auf die Idee kam, mit Skaten Geld zu verdienen. Heute muss man sich selbst vermarkten, viel von sich preisgeben und aktiv auf Social Media sein, damit die Marken ihre Produkte mit einem verkaufen können. Aber so war ich nie. Eine Fussverletzung hat am Ende dazu geführt, dass ich mich mit 30 neu orientieren musste. Dabei hat mir mein grosses Netzwerk in der Skateboardszene geholfen. Viele aktive und ehemalige Skateboarder sind in kreativen Berufen zu Hause. Das konnte ich mir auch zu Nutzen machen und habe mir ein neues Standbein aufgebaut. Zuerst mit einer eigenen Skateboard-Kleidermarke, heute mit einer Vertriebsfirma.
Nouel Kämpfen
Meine Jungs fahren auf der Strasse und springen über die Rampe. Ich sehe viele Parallelen zu meiner Kindheit. Wenn ich mit Nouel skate, gebe ich ihm ein paar Tipps, aber lasse ihn dann machen. Wenn er findet, er könne es nicht, lasse ich ihn in Ruhe. Er skatet anders als ich und macht Tricks, die ich nie gemacht habe. Er hat andere Möglichkeiten, als ich in seinem Alter. Pools und Bowls gab es in der Stadt Zürich damals noch nicht. Manchmal staune ich, was er schon kann oder ausprobiert. Er ist mutig.»
Nouel (9)
«Die Bowl ist megahart, wenn man aufs Fudi fällt, aber es macht trotzdem Spass. Ich hatte auch schon eine Gehirnerschütterung. Das Coole am Skaten ist, dass man immer wieder etwas Neues ausprobieren kann. Manche Tricks schaue ich auch in Skateboard-Magazinen nach. Ich habe einen ganzen Stapel ‹Thrasher›-Heftli von meinem Papa geschenkt bekommen. Insgesamt habe ich vier Skateboards und unzählige Stickers. Die bewahre ich aber alle in meiner Schublade auf. Am meisten lerne ich in den Skatecamps. Da kann ich zusammen mit anderen Kindern eine ganze Woche lang mit einem Coach üben. Wenn ich einen krassen Trick zum ersten Mal schaffe, dann finde ich das mega lässig und freue mich. Auch meine Freunde freuen sich mit mir. Wir motivieren uns gegenseitig. Ich springe bereits von Treppen runter, auf Mäuerchen hoch oder von einem Bänkli herunter.
Im Moment übe ich den Kickflip. Ich bin viel draussen und spiele auch Fussball. Manchmal hole ich aber auch meine Farbstifte und das dicke Buch von Papi, in dem Skateboards aus den 1980ern abgebildet sind. Am liebsten zeichne ich daraus Comicfiguren oder Bilder ab. Die Zeichnungen hänge ich dann an meine Zimmertür.»
Tipps&Tricks für angehende Skater-Kinder (und ihre Eltern)
Nicht alle Eltern haben so viel Wissen wie die Skater-Väter Philippe und Guy. Es lohnt sich deshalb, sich beraten zu lassen oder die Kinder in einem Kurs die Grundlagen lernen zu lassen.
1 Es gibt kein «zu alt» oder «zu jung» zum Skaten. Mit vier Jahren haben die meisten Kinder bereits eine gute Balance und können die ersten Fahrversuche wagen. Dazu eignen sich sämtliche Skateboards.
2 Sobald die Balance gefunden ist, sollte man auf ein proportional zur Körpergrösse passendes Brett wechseln. Eine Beratung lohnt sich hier auf jeden Fall.
3 Knie-, Ellenbogen- und Handgelenkschoner, sowie Helm sind ratsam.
4 Der ideale Untergrund für Skateversuche ist flach, fein asphaltiert und verkehrssicher. Familienfreundliche Skateparks eignen sich dafür perfekt.
5 Skateparks sind keine Spielplätze. Regeln befolgen und Situationen beobachten, um Zusammenstösse zu vermeiden.
6 Am besten sucht man sich geduldige Skater:innen und lässt es sich erklären. Noch besser: Man besucht einen Kurs.