Zahnpflege
In aller Munde
Wann muss mein Kind zum ersten Mal zum Kieferorthopäden?
Eine erste Abklärung wird generell mit sieben bis acht Jahren empfohlen. Solange der Zahnarzt mit der Zahnstellung eines Kindes zufrieden ist und den Eltern keinen Besuch beim Kieferorthopäden empfiehlt, ist sie allerdings nicht wirklich notwendig. Zum Zahnarzt sollten die Kleinen spätestens, wenn alle Zähne durchgebrochen sind, also im Alter von etwa drei Jahren. Manche Zahnärzte empfehlen, ihnen das Kind schon knapp zweijährig vorzustellen.
Sind Zahnspangen für alle Zahnprobleme geeignet?
Egal, ob die Zähne zu dicht, zu weit auseinander oder einfach kreuz und quer stehen, die Zahnspange kanns richten. Auch wenn Über- und Unterkiefer unterschiedlich gross sind, kann eine Spange helfen. Kieferorthopäden sprechen in diesem Fall von einem Über- respektive Vorbiss.
Worauf soll ich bei der Wahl des Kieferorthopäden achten?
Meistens erhalten Eltern eine Adresse von ihrem Zahnarzt. Fühlen sie sich dort nicht wirklich gut beraten, lohnt es sich, eine Zweitmeinung einzuholen. Vorsicht ist geboten, wenn Eltern das Gefühl haben, dass der Kieferorthopäde nicht auf ihre Fragen eingeht oder ihnen die Behandlung aufdrängt.
Die Nachbarschaft oder Schulklasse des Kindes ist eine wahre Fundgrube an weiteren Adressen und guten wie schlechten Erfahrungen. Dem Kind sollte der behandelnde Kieferorthopäde übrigens auch sympathisch sein, in den kommenden Jahren wird es ihn vermutlich viel öfter sehen, als ihm lieb ist.
Wie sieht die Behandlung aus und wie lange dauert sie?
Ein Spaziergang ist sie nicht. Der Weg zum perfekten Gebiss dauert oft jahrelang und kann für Eltern wie Kind zu einem Geduldsspiel werden. Nach einer ausführlichen Abklärung mit Fotos, Röntgenaufnahmen und Gipsabdruck des Gebisses erstellt der Kieferorthopäde einen individuellen Behandlungsplan. Ist die Spange im Mund, müssen die Fortschritte alle paar Wochen kontrolliert werden. Grundsätzlich wird in jeder Behandlung so lange Druck auf die Zähne ausgeübt, bis sie alle richtig stehen und reibungslos zusammenarbeiten. Ist die eigentliche Spangenbehandlung beendet, befestigt der Fachmann auf der Zahninnenseite Drähte, um zu verhindern, dass die Zähne sich wieder in ihre alte Position zurückbewegen. Diese Drähte bleiben in der Regel noch über Jahre oder sogar Jahrzehnte im Mund.
Wann ist der ideale Zeitpunkt für die Behandlung?
Heute lautet die meist gehörte Empfehlung «so früh wie möglich». Viele Kinder erhalten ihre erste Spange deshalb bereits im Alter von ungefähr 10 Jahren, wenn noch nicht alle bleibenden Zähne vorhanden sind. Auf diese Weise kann der Kieferorthopäde die kleinen Patienten während des Zahnwechsels begleiten und allfällige neue Probleme sofort erkennen und behandeln. Es gibt aber auch Kieferorthopäden, die mit der Behandlung lieber bis nach dem Zahnwechsel warten.
Zu spät ist es dafür nie. Selbst im Erwachsenenalter kann man sich die Zähne noch richten lassen, was immer mehr Männer und Frauen auch tun. Tom Cruise hats vorgemacht. In jungen Jahren dauert die Behandlung oft weniger lange als bei Erwachsenen, weil die Zähne sich leichter an die neue Stellung gewöhnen. Schnelle Resultate gibt es allerdings in keinem Alter.
Welche Art von Korrekturhilfen gibt es?
Am bekanntesten sind Spangen, die fest im Mund montiert werden. Sie bestehen aus Metall-, Kunststoff- oder Keramikteilchen, die auf die Zähne geklebt und dann mit Drahtbögen verbunden werden. Diese Art Spangen, im Volksmund auch Gartenhag oder Schneeketten genannt, gibt es heute in vielen verschiedenen Farben und sogar aus durchsichtigem Kunststoff. Verwendet werden sie vor allem bei komplizierten Fehlstellungen. Man kann sie heute auch an der Innenseite der Zähne befestigen, was sie praktisch unsichtbar, aber auch teurer macht. Herausnehmbare Spangen bestehen meist aus einer Kunststoffplatte für den Gaumen und einem individuell angepassten Kunststoff- oder Metallstreifen, der die Zähne durch leichten Druck in die richtige Position drückt. Sie eignen sich vor allem für kleinere Korrekturen und Kinder, die noch Milchzähne haben.
Heute tragen viel mehr Kinder Spangen als früher, gibt es mehr Fehlstellungen?
Vermutlich ja. Laut einer Untersuchung des Kölner Institutes der deutschen Zahnärzte haben heute weniger als 10 Prozent aller Kinder eine ideale Gebiss-Struktur. Das scheint dem Laien masslos übertrieben, aber Tatsache ist: In der Schweiz bekommt heute fast jedes zweite Kind eine Spange.
Vererbung spielt zwar eine wichtige Rolle bei Zahnfehlstellungen, doch etwa die Hälfte aller Fehlstellungen entstehen, laut Kieferorthopäden, im Lauf der ersten Jahre, zum Beispiel wegen fehlender Milchzähne. Fallen sie zu früh aus oder müssen gezogen werden, stossen die zweiten, bleibenden Zähne nicht selten am falschen Ort durch den Kiefer und stehen dann viel zu eng beieinander.
Ein weiteres Problem, vor dem Zahnärzte bereits seit Generationen warnen, ist das Daumenlutschen. Auf Dauer wirkt der Daumen im Mund wie ein Stemmeisen, das die oberen Frontzähne nach vorne drückt. Beissen die unteren und oberen Frontzähne nicht mehr richtig aufeinander, sprechen Kieferorthopäden von einem offenen Biss. Damit dieser gar nicht entsteht, gibt es nur eines: Spätestens ab dem dritten Lebensjahr hat der Daumen nichts mehr im Mund zu suchen. Auch den Nuggi sollten Kinder in diesem Alter höchstens noch zum Einschlafen bekommen.
In Fachkreisen kursiert zudem die Theorie, dass der Kiefer von Generation zu Generation kleiner wird, weil der Mensch nicht mehr wirklich kauen muss. Die Zähne jedoch sind gleich gross geblieben und haben deshalb immer weniger Platz.
Muss man jede Fehlstellung korrigieren?
Die Entscheidung darüber liegt letztlich bei den Eltern, aber die Tendenz geht klar in diese Richtung und zwar aus verschiedenen Gründen. Eltern wie Kinder legen heute sehr viel Wert auf ein makelloses Gebiss. Ausserdem warnen Kieferorthopäden seit einigen Jahren vor möglichen Folgeschäden, falls die Zähne nicht gerichtet werden. «Zähne, Kaumuskeln und Kiefer bilden eine Funktionseinheit», erklärt Michael Leuzinger, Kieferorthopäde aus Winterthur. «Wird sie durch schiefe Zähne gestört, können daraus im Lauf der Zeit erhebliche Probleme entstehen.» Gemeint sind damit etwa Kiefergelenkschmerzen oder eine frühzeitige Abnutzung der Zähne. Solche Aussichten überzeugen in der Regel auch Eltern, welche die Behandlung ursprünglich für überflüssig hielten. Und die Kids sehen in den modernen Zahnspangen zumindest am Anfang eher ein Schmuckstück als ein medizinisches Gerät. Es soll sogar schon Kinder geben, die enttäuscht sind, wenn der Zahnarzt sie nicht zum Kieferorthopäden schickt.
Gibt es Nebenwirkungen? Und was ist mit den Risiken?
Der Spruch «Wer schön sein will, muss leiden» gilt auch für Spangenkinder. Vor allem Mädchen und Jungen mit festsitzenden Spangen klagen in den ersten Tagen häufig über Schmerzen und bringen ausser Joghurt, Babybrei oder Kartoffelstock nichts runter. Ausserdem ist das Leben mit einer Spange gewöhnungsbedürftig. Die Klötzchen reiben an der Innenseite der Lippe und stören zumindest am Anfang beim Sprechen. Da das Schmerzempfinden von Mensch zu Mensch verschieden ist, gibt es aber auch Kinder, die nicht viel mehr als ein unangenehmes Ziehen verspüren.
Beim Zähneputzen sind alle Kinder mit «Schneeketten» speziell gefordert, denn darunter können sich sehr leicht Essensreste ansammeln.
Achten sie nicht penibel darauf, die Zähne regelmässig und gründlich zu putzen, sind sie nach der Behandlung zwar gerade, aber voller Löcher. Irgendwann kommt es bei vielen Kindern zu Ermüdungserscheinungen. Spätestens auf dem Höhepunkt der Pubertät finden sie die Zahnspange lästig. Wie soll man mit Draht im Mund küssen? Da braucht es viel gutes Zureden, um das Kind zum Weitermachen zu motivieren.
Wie viel kostet die Behandlung und wer bezahlt sie?
Eltern müssen mit mehreren tausend Franken rechnen, 10 000 Franken sind schnell erreicht. In schweren Fällen kommt die Invalidenversicherung für die Spange auf, doch normalerweise müssen Eltern die Korrektur aus dem eigenen Sack bezahlen. Zum Glück gibt es heute Zusatzversicherungen, die zumindest einen Teil der Kosten übernehmen. Diese darf nicht zu spät abgeschlossen werden. Ist der Schaden schon bekannt, wird das Kind nicht mehr aufgenommen. Es lohnt sich also, sie frühzeitig, am besten im ersten Lebensjahr, abzuschliessen.