Ursula Steiger (64). Die zweifache Grossmutter lässt sich nicht zum alten Eisen werfen. Mit der Grossmütter-Rockband «Mammutz» spielt sie gegen das Grosi-Klischee an.
Ich bin eine Grossmütter-Revoluzzerin!
Was das heisst? Ich habe das einseitige Omi-Bild in der öffentlichen Wahrnehmung gewaltig satt. Das will ich ändern.
In der Werbung zum Beispiel ist eine ältere Frau noch immer gleichbedeutend mit einer hutzeligen Bürzi-Trägerin, die Wollsocken strickt und Schokoladenkuchen backt. Warum sonst nennt ein Grossverteiler eine Kuchenmischung «Grosis Schoggikuchen»? Mich presst niemand in ein Schema. Wir Grossmütter haben mehr zu bieten als hinter dem Ofenbänkli zu sitzen.
Letzten Frühling stiess ich zufällig auf das Projekt «Grossmütter-Revolution» vom Migros-Kulturprozent. Ich war begeistert. Und kurz nach einer zweitägigen Zukunftswerkstatt entstand die Idee, eine Grossmütter-Rockband zu gründen. Die Kerngruppe unserer Band heisst «Mammutz», da spielen wir zurzeit zu dritt. Wir traten aber auch schon mit zehn Frauen auf. Musikalisch muss es nicht zwingend Rock sein, wir nehmen uns Freiheiten in alle Richtungen heraus und experimentieren auch. Wir haben aber hohe Ansprüche. Auf keinen Fall wollen wir als Musikerinnen rüberkommen, die in Rente noch ein bisschen musizieren. Wir proben regelmässig in den Räumen der Jugendmusikschule der Stadt Zürich – hier war ich 15 Jahre lang Verwaltungsdirektorin.
Die «Grossmütter-Revolution» wurde zwar von feministisch bewegten Frauen lanciert – als politische Alt-68erin betrachte ich mich aber nicht! Auch von den Hippies mit ihrem Flower-Power hielt ich nie viel.
Ich bin mit vier jüngeren Geschwistern in einer Künstlerfamilie auf dem Land aufgewachsen, Musik spielte bei uns immer eine grosse Rolle. Meine ersten Klavierstunden hatte ich mit fünf Jahren. Durch die klassischen Konzerte in meinem Elternhaus lernte ich schon früh regional bekannte Musikerinnen und Musiker kennen. Als Jugendliche fand ich Jazz cool und spielte in jeder freien Minute Boogie-Woogie und Blues.
<<Warum sollen Rock-Opas wie Iggy Pop und Rod Stewart auf der Bühne stehen dürfen und wir Rock-Omas nicht?>>
Ich bin ein Mensch mit extrem viel Energie. Und eine Macherin. Habe ich heute eine Idee, wird sie morgen realisiert. Nach der Pensionierung fragte ich mich zum Beispiel, was ich dafür tun könnte, um das verstaubte Grosi-Image zu ändern. Und da ich überzeugt bin, dass das nur über Musik, das heisst über Emotionen, funktioniert, habe ich eben eine Band gegründet. Warum sollen Rock-Opas wie Iggy Pop, Rod Stewart und Keith Richard auf der Bühne stehen dürfen, wir Rock-Omas hingegen nicht? Glauben Sie mir: Wir haben mindestens so böse und rockige Songs in unserem Repertoire. Wir persiflieren zum Beispiel den Hit «Alpenrose» von Polo Hofer, bei uns heisst das Lied «Osteoporose». Dabei geht es um den Gesundheits- und Jugendwahn. Wir sind in unseren Texten sehr selbstironisch, nehmen uns nicht bierernst.
Im Älterwerden sehe ich keine Abwertung der Lebensqualität – viel mehr einen bombastischen neuen Lebensabschnitt. Leute, die über das Alter jammern, empfinde ich als Bremsklötze. Ich schaue vorwärts. Deshalb habe ich ein halbes Jahr vor meiner Pensionierung auch noch eine Einzelfirma, «Steigercoach», gegründet. Da kann ich meine jahrelange Erfahrung als Familienfrau und Coach von Führungspersonen weitergeben.
Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Ich bin auch noch Grosi. Zu meinem 13-jährigen Enkel und meiner 17-jährigen Enkelin habe ich ein prima Verhältnis. Ich bin für sie da, wenns brennt oder in der Schule nicht rund läuft – gehe aber auch gerne Shoppen und Ski fahren mit ihnen. Und ab und zu backe ich einen Schokoladekuchen. Exquisit! Das Rezept dazu ist mein Geheimnis.