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Geschichten aus 1001 Übergriffigkeit gegen schwangere Frauen
zvg
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Uuh, da werden Erinnerungen wach: Die wunderbare Ninia LaGrande (der man unbedingt bei allem, was sie so treibt, folgen sollte) hat für die taz aufgeschrieben, wie andere Menschen ihre Schwangerschaft kommentieren. Auf Veranstaltungen wird sie dafür gelobt, «dass sie trotzdem da ist». Wenn sie davon berichtet, dass sie nicht ständig am Kotzen ist und auch sonst ziemlich vergnügt, blickt sie in verwirrt-enttäuschte Augen. Und die «Das wird alles noch ganz furchtbar»-Fraktion wartet nur auf den richtigen Augenblick. Wenn frau nämlich nicht öffentlich bekundet, wie schrecklich das erste Schwangerschaftstrimester ist, soll sie nur bloss abwarten, wie die anderen beiden werden. Oder die Geburt. Oder das Wochenbett. Oder das erste Jahr. Oder Kita, Schule, Pubertät. Kleine Kinder, kleine Probleme, grosse Kinder, grosse … Weisstde Bescheid, ne?!
Das Stück, das mit den Betroffenen aufgeführt werden soll, trägt den etwas sperrigen Titel:
Schmerz Dauererbrechen schlaffe Müdigkeit Schmerz Splatter Dammriss Blut Fäkalien Aufschlitzen Schmerz Depression schreienden Arschlochkind nie wieder Sex Beziehungende Schmerz
und ist ein echter Dauerbrenner. Damit sind die Leute seit über 2000 Jahren auf Tournee. Wie lautete doch gleich die Regieanweisung? «Und zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären!»
Frauen, die von dieser geschlechtlichen Verpflichtung nicht betroffen zu sein scheinen und denen es offensichtlich zu gut geht, müssen mit beständiger Penetranz daran erinnert werden, wo ihr Platz ist. Im Schmerz nämlich. Im schambesetzten, leidenden Unwohlsein. Für Ninia hat das scheinbar in besonderem Masse zu gelten. Viele nehmen ihre Kleinwüchsigkeit zum Anlass, um besonders übergriffige Fragen zu stellen. «War es gewollt?» ist so eine Grenzüberschreitung und sagt einem so ziemlich alles über den Inklusionszustand und die Diktatur der vorgeblichen Normalität in unserer Gesellschaft.
Mich macht das ziemlich wütend. Als Mann an der Seite der Chefin von dem Ganzen und Vater von vier Kindern habe ich diese Kommentare zwar «nur» über Bande zugespielt bekommen, aber das macht sie nicht weniger menschenverachtend:
«Bald bist du nur noch der Goldesel.»
«Nach dem Zweiten wird sie fett.»
«Dass ihr überhaupt noch Sex habt…»
2014 haben Frauen unter dem Hashtag #alsichschwangerwar schon einmal ihre Erfahrungen mit übergriffigen Kommentaren, insbesondere in Bezug auf ihren Körper und ihr Essverhalten, geteilt. Vielleicht sollte man diese Debatte wieder aufnehmen.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.