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Für Eltern kann sich Arbeit wie Urlaub anfühlen. Und das ist OK so.
zvg
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Drei Tage. Drei volle Tage war ich von meiner Familie getrennt und habe mich in der Weltgeschichte herumgetrieben. Habe in einem hochpreisigen Hotel geschlafen und wichtige Leute getroffen. Ich könnte jetzt erzählen, dass das super glamourös war, Wellness, Champagner und alles. War es aber nicht. Ich trinke keinen Alkohol. Das Hotel hat mich ohne zu fragen in ihr Meeresthemenzimmer gesteckt – mit Wasserbett. Dass ich überhaupt geschlafen habe, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass mensch mit einem drei Monate alten Baby (selbst wenn es das liebste auf der Welt ist so wie meins) grundmüde ist. Ich hab mich also auf diesem schaukelnden Ding irgendwann zusammengerollt wie ein Hund und war weg. Am nächsten Morgen habe ich eine halbe Stunde gebraucht, um mich zusammenzusammeln und aufrecht gehen zu können. So viel zu glamourös.
Es war eben Arbeit. Lang, anstrengend, schlauchend und ziemlich grossartig. Obwohl der Zug zwei Stunden länger gebraucht hat, ich überhaupt keine Zeit für Wellness hatte und die Hotelküche mit vegetarischem Essen reichlich überfordert zu sein schien, hat es grossen Spass gemacht. Klar habe ich meine Familie vermisst. Aber mehrere Stunden am Stück nur mit Erwachsenen über so Erwachsenenkram zu reden und Mahlzeiten zu Erwachsenenzeiten einzunehmen. Keiner verfolgt mich aufs Klo und fragt, was ich dort zu tun gedenke. Niemand nölt mich voll, und wenn doch, bin ich nicht für sie oder ihn verantwortlich. Stattdessen über Filme und Hörfunkbeiträge reden, Vorträge halten und sich darüber wundern, wie viel Kaffee man in sich hineinschütten muss, wenn man jenseits der 23 Uhr Marke noch mit Kolleginnen und Kollegen plaudern möchte. Bisschen netzwerken, Hände schütteln, neue Leute kennenlernen. Dinge, die ich früher überhaupt nicht leiden konnte. Jetzt kommen sie mir wie eine Auszeit vom Familienalltag vor. Eine andere Art Anstrengung. Etwas, das ich kaum belaste und das deshalb (noch) gar nicht erschöpft ist. In die zwanzigste Legokreation meines Zweijährigen hineinzulächeln, ist gerade deutlich anstrengender, als überschwänglich Leute zu begrüssen, von denen mir manche auch herzlich egal sind. Das ist nicht nur gut für den Job, sondern lädt auch die Batterien für daheim auf.
Dann ist es auch wunderschön, wieder nach Hause zu kommen. Und dem Gefühl Raum geben zu können, wie sehr einem die Familie gefehlt hat.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.