Glossen
Ferienplanung: Wohin denn nur dieses Jahr?
Von Anita Zulauf und Martina Schnelli
Sommerferien für die ganze Familie zu planen, ist eine hohe Kunst. Unsere Autor:innen wissen, was es dabei besonders zu beachten gilt. Zumindest theoretisch.
Katja Fischer De Santi
Das Wort Schulferien löst bei mir statt Glücksgefühlen und Jubelschreien (wie das bei meinen Söhnen der Fall ist) vielmehr Stresshormone und Sorgenfalten aus. Noch schlimmer ist nur, wenn jemand schon im November des Vorjahres fragt: «Und was macht ihr in den Sommerferien?» Denken die Leute wirklich, das sei ein gutes Smalltalk-Thema? Ich würde wirklich lieber über die Wiederansiedlung des Bibers sprechen – es ist deutlich weniger frustrierend. Denn mit Schulkindern sind Ferien ein kosten- und ressourcenintensives Langzeitprojekt, etwas, was man generalsstabmässig planen muss und dennoch schlechte Erfolgsaussichten hat. Man muss Monate, wenn nicht Jahre, im Voraus buchen, will man etwa in der Hochsaison zu viert irgendwo hin, wo es wenigstens schön und nicht unanständig teuer ist.
Weil das Planen weder meine noch meines Mannes Stärke ist, haben wir uns schon vor Jahren einen Wohnwagen gekauft. Es war eine Notlösung, weil wir im Juni noch nicht wussten, wohin im Juli. Drei Jahre ging das super. Wir legten jeweils zwei Wochen vor Abfahrt das Reiseland fest, kauften uns einen Reiseführer, steckten die Kinder und den Inhalt zweier Kinderzimmer ins Auto und los ging es.
Dann kam die Corona-Pandemie. Nun kaufte sich gefühlt jede Familie ein schickes VW-Büsli oder einen riesigen Camper. Dann installierte noch der hinterletzte Campingplatz ein Online-Reservierungssystem und erdreistet sich seitdem, seine lausigen Stellplätze in Edelmetall-Kategorien einzuteilen. Selbst ein schattenloser Platz neben der Toilette ist nun in der Silberkategorie und ab Januar reserviert. Kurz, die Camping-Romantik ist seither zumindest am Mittelmeer dahin. Temperaturen über 40 Grad im Juli machen unseren alten Wohnwagen ohne Klimaanlage jetzt auch nicht unbedingt attraktiver.
Zu kalt, zu weit, zu nervig
Zum Glück ist die Welt gross und der Möglichkeiten gibt es noch viele. Zu viele! Oder sind einfach unsere Ansprüche zu hoch? Wie soll man einen Campingplatz finden, der am Meer ist, aber nicht überfüllt, mit mildem Klima, aber Wassertemperaturen konstant bitte über 25 Grad. Naturbelassen und ruhig soll er bitte für uns Eltern sein, aber mit Dreifach-Rutschbahn für die Kids. Die wünschen sich deutschsprachige Kinder als nette Spielgefährten, wir uns aber bitte keine deutschsprachige Eltern dazu. Ah ja, und der Anfahrtsweg sollte dann acht Stunden keinesfalls übersteigen. Und hatte ich schon erwähnt, dass meinem Mann nach zwei Stunden am Strand langweilig wird? Surfen wäre eine gute Beschäftigung, doch dort, wo es konstant Wellen hat, ist es für die Kids gefährlich oder sind die Wassertemperaturen unangenehm kühl.
Und ich? Ich möchte am liebsten gar nicht mehr ans Mittelmeer, es sieht doch überall recht gleich aus. Aber vor Aktivurlaub im Norden habe ich Respekt, weil Regen, weil kalt, weil teuer und anstrengend. Kurz, ich will gar nicht anfangen zu suchen, es wird eh frustrierend. Also weiterhin Verdrängungsstrategie, während die Zeit rast. In meiner Not habe ich ChatGPT gefragt, welcher Ort all unsere familiären Ferienwünsche vereinigen könnte. Die Antwort: Camping in Norditalien. Klar!
Till Hein
Natürlich wollen wir für unsere Buben nur das Beste. Familienferien sollen ja bleibende Erinnerungen schaffen. Wir setzen uns also Anfang Jahr abends, wenn die Kinder endlich schlafen, gemütlich aufs Sofa und machen Brainstorming.
Wieder nach Italien? Wir haben dort oft die Sommerferien auf einem Campingplatz verbracht. Gefühlt eigentlich immer. Es war erholsam, denn wir schliefen nicht im Zelt, sondern im Bungalow. Früher hätte ich das spiessig gefunden, heute finde ich es bequem. Es gibt dort einen Sandstrand und eine Tischtennisplatte. Dass das Wasser in der Lagune von Grado so seicht ist, dass man beim Schwimmen mit dem Bauch ständig den Meeresgrund streift, ist Nebensache. Zumal unsere Kinder sowieso lieber im Pool baden.
Aber jetzt sind sie grösser – und wir wollen auch als Eltern mal wieder etwas erleben. Eine Kollegin meiner Partnerin → ist Asien-Korrespondentin geworden. Sie wohnt jetzt in der Gegend von Mumbai. «Die könnten wir doch besuchen», werfe ich ein. Ich kenne Indien nur aus Reportagen aus dem Geo-Heftli. Was für ein Abenteuer!
Doch La-Chaux-de-Fonds?
Allerdings ist der Flug dorthin natürlich weit. Und in Indien soll es viel Armut und gefährliche Krankheiten geben. Ob das für die Kinder das Richtige ist? Die Kollegin lebe in einer Villa mit Garten, da sei alles luxuriös und gut gesichert, sagt meine Partnerin. Beruhigend. Allerdings: Wahnsinnig spannend klingt das jetzt auch wieder nicht. «Da könnten wir doch auch Markus und seine Familie in La-Chaux-de-Fonds besuchen», schlage ich vor. Die wohnen auch in einer Villa und führen ein hedonistisches Leben. «Dann müssten wir auf dem Hinweg wieder meine Mutter in Basel besuchen», wirft meine Partnerin warnend ein. Und den Sohn von Markus würden unsere Buben doch kaum kennen. Ich entgegne, dass sie den Sohn von der Kollegin in Mumbai auch nicht besser kennen würden und verweise auf die ungünstige Ökobilanz von Langstreckenflügen. Ist doch wahr! Sie findet mich total destruktiv.
Warum nicht nach England? Da wohnt noch eine Tante. Aber es gibt halt keine anderen Kinder zum Spielen. Schade. Wir könnten auch mit einer gemeinsamen Freundin in die Berge, die hat Söhne im gleichen Alter. Aber die wollen immer alles bestimmen.
Dann wäre da noch das Ferienhaus meines ältesten Freundes in Schweden. Super Sache. Allerdings ist es schon ein paar Jahre her, dass er uns eingeladen hat. Und in Skandinavien soll es im Sommer oft kalt sein. Und die Mücken! Besser nach Kreta. Traurig nur, dass man dort beim Schnorcheln gar nichts mehr sieht, wie mir Kollegen erzählten, alles leergefischt. Und Japan, das ich so faszinierend fände, können wir uns nicht leisten. Dann halt nach Spanien. Ein tolles Land!
Online gab es in Andalusien total viele Angebote. Die meisten längst ausgebucht. «Ich kenne mich da unten halt überhaupt nicht aus», stöhnt meine Freundin schliesslich erschöpft. So etwas sagt sie nur ganz selten. Vielleicht doch La-Chaux-de-Fonds? Sie sieht mich an, als wolle sie mich auf den Mond schiessen.
Und was nun in den Sommerferien? Nun ja. Wir fahren nach Italien. Auf einen Campingplatz. Mit Pool und Tischtennis. Aber nächstes Jahr, da denken wir uns etwas richtig Aufregendes aus!