Elternkolumne
Berufstätige Eltern: Schulferien sind Stress!
Echt jetzt! – Ferien sind dazu da, sich zu erholen. Wirklich? Der Stress für Eltern beginnt jetzt erst recht, findet unsere Kolumnistin Nathalie Sassine.
Das Jahr fängt kaum an, schon geht der Ferienstress
los. Nein, ich meine nicht den Stress, «in die Ferien»
zu fahren. Vielmehr müssen wir berufstätigen Eltern
unsere Kinder auch dieses Jahr wieder während acht
Wochen Ferien (13 Wochen Schulferien minus fünf
Wochen Arbeitnehmerferien) unterbringen. Kinder sind in der
Schweiz bekanntlich Privatsache
Vor acht Jahren zogen wir in ein Dorf, das als eines der wenigen
seinen Schülern eine Tagesschule bietet. An fünf Tagen pro Woche
können unsere Kinder von 07.30 bis 18 Uhr in der Schule bleiben,
essen, Hausaufgaben machen, basteln, malen, chillen … Obwohl wir
dieses Angebot nicht jeden Tag in Anspruch nehmen, hilft es, unseren
Berufsalltag und die Familie unter einen Hut zu bringen. Die
Kinder gehen mal mehr, mal weniger gerne hin, das Essen ist gut
und abwechslungsreich, die Betreuungspersonen vertrauenswürdig.
Alles paletti also?
Einen Haken hat das Ganze: In den Schulferien bleibt auch die
Tagesschule zu. 13 Wochen lang müssen wir schauen, was wir mit
unseren Kindern anstellen. Als reisefreudige Familie nutzen wir
zwar jede Gelegenheit, zu verreisen. Aber wir haben keine 13 Wochen
Zeit, mit unseren Kindern ans Meer, in den Europapark, in
die Berge zu fahren. Vom Geld ganz zu schweigen – das müssen wir
erst verdienen. Unter anderem dann, wenn unsere Kinder Schulferien
haben.
Auch wir haben unsere Kinder schon zum Ferienspass angemeldet
– diese Kurse dauern aber meist nur ein paar Stunden. Und wer
kann schon während einer ganzen Woche um 15 Uhr nach Hause
rasen, um die Kids abzuholen? Ausserdem sind die meisten Ferienbespassungen
sportlicher Natur, womit ich meinen Kindern gar
nicht erst zu kommen brauche. Sie rennen schon während der Schulzeit
genug herum. Meine Kinder wären an Kursen kreativer Art
interessiert: Malen, Basteln, Singen, Tanzen sind jedoch rar in der
Schweiz. Vor allem auf dem Land ist es schwierig, etwas Nicht-Sportliches
zu finden. Das grösste Problem: Meine Kinder wollen sich
ausruhen. Der Grosse hat es in der Schule streng genug, in den
Ferien will er ausschlafen und einfach nichts müssen. Die Kleine
hängt am liebsten zu Hause rum, spielt oder trifft sich mit Freunden
im Quartier. Sie möchten beide einfach «sein» und nicht «tun».
Die Kosten der Freizeitkurse sind auf den ersten Blick zwar nicht
überrissen. Bei mehreren Kindern aber wirds teuer: Während acht
Wochen im Jahr 200 bis 300 Franken pro Kind auszugeben, liegt
für die meisten Familien nicht drin. Glücklich jene, bei denen die
Grosseltern einspringen. Aber die stehen auch nicht immer zur
Verfügung.
Die Lösung? Tagesschulen müssen her, die zumindest teilweise
während der Schulferien geöffnet sind. Sodass die Kinder die gewohnten
Betreuungspersonen um sich haben. Das Programm sollte
auch Kinder berücksichtigen, die keine Lust auf Wettbewerb und
Dauerrumgehüpfe haben. Die einfach chillen und lesen möchten.
Und bevor man mir jetzt den Kopf abreisst, Kinder hätten bei
ihren Müttern zu sein und wir sollten uns gefälligst wenigstens in
den Ferien die Zeit nehmen, uns um sie zu kümmern: Kleine Franzosen
oder Norweger sind erwiesenermassen nicht ungeliebter als
unsere behüteten kleinen Schweizer. Kinder sind flexibel, seien wir
es doch auch. Professionell und liebevoll geführte Tagesschulen
könnten unseren Alltag enorm erleichtern, auch in den Ferien.
Bis es so weit ist, organisieren wir Eltern uns allein. Denn in der
Schweiz ist Kinderkriegen weiterhin Privatsache. Sollte sich das je
ändern, haben meine Kinder vielleicht schon selber Kinder. Und
die hüte dann wohl ich während der Ferien ...