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10 Punkte, die belegen, dass ich zum «angry old man» werde
zvg
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Vom Vater eines Schulfreundes ist mir vor allem (und praktisch nur) die tiefe Stimme in Erinnerung geblieben, die jedes Mal, wenn ich bei ihnen zu Besuch war, fragte: «Händer kei Ufzgi!?» Wahrscheinlich war es oft sogar lustig gemeint, ich hatte es stets als latent drohend wahrgenommen. Beim Stiefvater eines weiteren Freundes konnten wir uns auf etwas verlassen: War er da und draussen schien die Sonne, hatten wir draussen zu spielen (sprich durften wir nicht fernsehen). Mann, was waren diese Alten nervig!
Und heute? Heute ertappe ich mich immer wieder dabei, dass ich selbst so klinge, wie es mein früheres Ich in den Wahnsinn getrieben hätte. Und zwar in folgenden Situationen:
1. Lärm:
Immer dieses Geschrei (Kleinkinder), dieses pausenlose Gequatsche (Präpubertierende). Kinder sind laut und sollen das auch ausleben dürfen. Anderseits: Ich will meine Ruhe. Und das ist wiegt ja wohl schwerer. Darum: Pssst!
2. Musik:
Mein Vater fragte mich früher: «Was hörst du dir da für Lärm an?» Und ich dachte: «Du hast ja keine Ahnung.» (obwohl ich zeitweise Musik hörte, die wirklich nicht viel mehr war als Lärm.) Wenn ich heute mitbekomme, womit sich die Jugend beschallt, rolle ich mit den Augen und denke nur noch: «Macht bloss diesen Mist aus!»
3. Drinnen vs. draussen:
Draussen herrscht strahlendes Wetter. Und die Kinder verbarrikadieren sich in der stickigen Wohnung. Bei Schneeregen wollen sie dann aber unbedingt raus, in kurzen Hosen natürlich.
4. Früher...:
Früher war das noch anders. Früher war alles besser. Als ich so alt war wie du blablabla. Zu Weihnachten viel weniger blablabla. War noch Disziplin blabla und Ordnung blabla. Und überhaupt.
5. Medienkonsum:
Ja, um Himmels Willen! Hockt man denn heute nur noch vor den kleinen Bildschirmen und konsumiert!? Diese Kinder schauen nur noch in ihre iPads (früher Fernseher), Handys (früher Gameboy) und Laptops (früher Commodore, Amiga, Atari). Unsäglich!
6. Masslosigkeit:
Klar, nimm dir ruhig fünf Kaugummis auf einmal. Sicher, zwei Glacés zum Dessert. Nein, nein, ich will kein Sushi mehr, hab ja schon ein Stück gehabt. Ironie off.
7. Hausaufgaben-Skepsis:
«Händer kei Ufzgi!?» (mit nicht ganz so tiefer Stimme).
8. Essen:
«Hmm, du verpasst was», hiess es jeweils, wenn ich keinen Broccoli essen wollte. Liess mich damals unheimlich kalt. Heute denke ich: «Der kann sich doch nicht von Brot und ‚blutten’ Spaghetti ernähren.»
9. Tenü:
Liegt es im Trend, löchrige Socken anzuziehen? Oder die Unterhose nur alle zwei Wochen zu wechseln? Und warum müssen die jetzt alle zu jeder Gelegenheit Trainerhosen anziehen? Also früher wäre das ja undenkbar gewesen.
10. Grüssen:
Die Jungen haben einfach keinen Respekt mehr vor den Erwachsenen. Bedanken sich nicht, ja grüssen nicht mal mehr. Und wenn, dann duzen sie dich. Sapperlot!
Reto Hunziker ist 1981 im Aargau geboren, aber das muss noch nichts heissen. Er hat Publizistik, Filmwissenschaft und Philosophie studiert und auch das muss noch nichts heissen. Er arbeitet als freier Journalist und als Erwachsenenbildner und versucht daneben, dem ganz normalen Wahnsinn in einer Patchwork-Familie (Frau, Tochter und Stiefsohn) mit Leichtigkeit und gesundem Menschenverstand zu begegnen – das will was heissen. Alle Blog-Beiträge von Reto Hunziker finden Sie hier.