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Vaterzeit
Drei Fragezeichen
Von Christian Berzins
Unser Kolumnist Christian wird von allen Seiten darüber informiert, was Luule denkt und fühlt. Es bleiben aber 1400 weitere Geheimnisse.
Die «Pro-Juventute»-Broschüre «Elternbriefe» erklärt mir alle zwei Monate liebevoll, was Luule gerade macht, denkt, fühlt und wie sie behandelt werden möchte. Zudem erhalte ich im Tram und Zug kluge Ratschläge – «Hät de Papi d Chappe ned über dini Ohre abe zoge ? ». Und die erfahreneren Eltern und Grosseltern wissen sowieso, was Luule machen kann, soll und darf.
Gut so. Es bleiben mir nämlich trotz dieses Wissens etwa 1400 Luule-Geheimnisse. Sie machen mich täglich sehr glücklich. Und nur sehr selten unglücklich.
Am meisten beschäftigt mich die Frage, warum Luule schon sehr bald die Worte «Emme » (estnisch «Mami») und «Maja» (ihre Kita-Heldin) sagen, aber nicht ihren eigenen, estnischen Namen aussprechen konnte, obwohl sie doch mittlerweile «Chrücht es Schnäggli» mehr oder weniger richtig singen kann und auch Worte wie «Pasta» und «Pizza» kennt. Ich zeige auf ein Bild und sie sagt korrekt «Bus », erblättert sie die «wir eltern»-Kolumne, sagt sie «Papa», aber wenn sie sich im Spiegel, im Zugfenster oder auf einem Foto sieht, sagt sie auch heute noch bloss : «Mi». Dabei hat sie doch dieses Wort «Luule» mehr oder weniger als allererstes gehört, alsbald wurde es ihr Millionen Male vorgesagt. Fast jedes Kind in der Kita kann «Luule» sagen, ja, unter ihren Freundinnen und Freunden scheint der Name geradezu der Hit zu sein. Ausser bei Luule selbst.
Ihr wisst, was es bedeutet
Das zweite Rätsel: Warum haben Luules Pyjamas so unglaublich viele Knöpfe ? Bis zu 23 habe ich gezählt. Knöpfe notabene, die Luule je nach Laune sehr gerne öffnet, kaum sind sie endlich zu. Korrekt zu. Denn das ist wahrlich eine Kunst. Alle, die diese Kolumne lesen, wissen, was es bedeutet, Pyjamas anzuziehen, wie heikel diese Phase ist, wenn es darum geht, den Landeanflug aufs Bett zu beginnen, um sanft das Schlafengehen einzuläuten. Da zappelt der kleine Mensch, da will noch so viel anderes als Träumeli erledigt und erhascht werden. Und ich habe noch nicht mal die Beinknöpfe zu : 7 links und rechts bis zum Schnitt, wo der goldene Knopf von Weitem leuchtet. Dumm, haben wir sein Pendant bereits vergeben. Also von vorn. Dieser goldene Mittelpunkt ist keine Hilfe, sondern nur dazu da, uns zu sagen: «Du bist falsch, Dummkopf !» Sind Reisverschlüsse dermassen gefährlich?
Und die dritte Frage : Wann bezieht Luule ihr eigenes Zimmer auch zum Schlafen? Ich habe in Erinnerung, dass ich im Juni 1970 zurück aus der Babyabteilung in Leuggern sofort in meinem eigenen Zimmerchen wohnte : mein ein Jahr älterer Bruder in seinem, meine zwei Jahre ältere Schwester in ihrem. Wo denn sonst ? Da gab es keine Übergangsphase neben dem Elternbett. Oder sollte ich Schonfrist schreiben?
Luule hat seit einem Jahr eine. Ihr Zimmer, das sehe ich aus einem ein Jahr alten Kolumnen-Fragment, nahm nämlich vor 12 Monaten Gestalt an. Doch damals mussten wir den ersten Umzug verschieben, da Luule ein paar Wochen lang ein grosses Mitteilungsbedürfnis zwischen 00.30 und 5 Uhr hatte. Mit allem Zureden und Wiegen war sie nicht zu bändigen, nur der Schoppen half. Als wir dann trotzdem ihr rotes Bett feierlich ins andere Zimmer trugen, bezogen wir einen Tag später dort auch gleich das Bettsofa, stellte sich doch die neue Situation so dar, dass entweder Tea oder eher ich dort dem Morgen entgegendämmerten, derweil der oder die andere allein im Schlafzimmer döste. Bald stand das rote Bett wieder neben unserem. Das ist heute noch so. Aber da Luule gerade eine Phase hat, in der sie erst gegen 5 Uhr aktiv wird und dann ins grosse Bett steigen möchte, wäre jetzt zu Jahresbeginn vielleicht der Moment da, um mit Pauken und Trompeten das Kinderzimmer zu eröffnen. Die süsse Sirene um 5 Uhr könnte ich dann vielleicht gar überhören, ohne irgendeinen Ratgeber zu befragen.