Blog
Die Einsamkeit der Elternschaft
zvg
Lust auf mehr? Folgen Sie «wir eltern» auf Facebook!
Ich bin wieder voll im Babytunnel. Babytunnel, so nenne ich das erste Jahr mit meinem Kind, wenn die Chefin von dem Ganzen von Berufs wegen wieder auf Drachenjagd ist und ich mich hauptsächlich zuständig fühle – neben meinen Jobs als Journalist und Umschubser von Sexismus. So haben wir beide das geplant, ich mach das gerne und ziemlich gut. Ich verbringe die Vormittage allein mit meinem Baby und habe nachmittags zumeist noch genug Nerven und Unterstützung, um mit den Bedürfnissen meines Zweijährigen und meiner beiden Grossen Schritt halten zu können. Dass das auch ziemlich anstrengend ist, ist nicht gerade eine Neuigkeit. Darüber gibt es allenthalben Erfahrungsberichte, auch von mir. Einsamkeit wird hingegen kaum thematisiert, weil sie zunächst einmal widersinnig erscheint. Schliesslich ist man ja ständig mit mindestens einem Menschen zusammen – dem Kind nämlich. Oft sind es noch mehr. Es ist trubelig, es ist laut, es ist immer irgendetwas los.
Ja eben. So sehr dieses quirlige, kinderreiche Leben ein Teil von mir ist und von mir heiss und innig geliebt wird, so fremdbestimmt wirkt es manchmal und so wenig hat es in bestimmten Momenten oder Phasen mit mir zu tun. Ganz besonders zu dieser Jahreszeit. «Die Kinder durch den Winter bringen» mag archaisch klingen, trifft aber genau den Kern der Sache. Meine Grossen tapsen im Dunkeln zur Schule und kommen zurück, wenn es bereits wieder dämmert. Mein zweijähriger Wirbelwind kann nicht mehr so oft und so lange er will raus und wird gegen seinen erklärten Willen, ständig nackt zu sein, dick angezogen. Und die Kleine, so entspannt wie sie auch sein mag, kämpft mit Zähnchen und Erkältungen.
Das hat was von permanentem Bereitschaftsdienst. Der zudem schnell an seine Grenzen stösst, wenn etwas passiert, das die täglichen Routineabläufe sprengt. Läusealarm in der Kita zum Beispiel. Nur echt mit 5½ Köpfen und 8 Wäscheladungen, die gewaschen werden müssen. Berufliche Extrabelastungen. Irgendwie meinen die letzten beiden Monate im Jahr stets einem klar machen zu müssen, dass man vorher zu wenig zu tun hatte. Und in all diesen Verbindlichkeiten verliert man sehr schnell den Kontakt. Zum Partner oder zur Partnerin. Zu Freunden. Zu sich selbst. Man ist isoliert von den eigenen Bedürfnissen, von seiner so mühsam errungenen Tagesstruktur und von Auszeiten. Man verliert sich in Reizbarkeiten und doch oft stupidem Familienmanagement. Diese Form der Einsamkeit wird durch die Spärlichkeit der Gegenmassnahmen noch verstärkt.
«Geht doch mal wieder aus!»
«Mach einfach Urlaub.»
Ähm, ja genau. Was ich mache, ist Sport auf kleinstem Raum – wenn gerade niemand was will. Oder 100 Sekunden lesen, bis das Nudelwasser kocht. Es ist nicht viel, aber bisher haben meine Strategien noch immer gereicht. Auch wenn es ein paar Mal ziemlich knapp war. Also los Nils, einmal noch. Wenn du die Augen ganz fest zu machst, kannst du den Frühling schon sehen.
Seufz!
Das könnte Sie auch interessieren:
Auch wenn sie uns manchmal alle Nerven rauben, was gibt es Schöneres als innige Momente mit den Kindern? Schauen Sie sich hierzu die süsse Bildstrecke an.
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.