Coronavirus
Die Isolation als Familie gut überstehen
Von Anita Zulauf und Martina Schnelli
Quarantäne zwingt Familien, Kontakte komplett zu vermeiden. Im Pandemie-Alltag sind Familien ohnehin schon stärker von anderen isoliert, sei es aufgrund von behördlichen Kontaktbeschränkungen, Ängsten oder eigenen Verhaltensregeln. Dies ist eine Belastung für Familien. Wie Sie diese Zeiten gut meistern.
Homeoffice, Quarantäne, geschlossene Freizeiteinrichtungen, behördliche Kontaktbeschränkungen: Verschiedene Faktoren führen dazu, dass wir überdurchschnittlich viel zu Hause sind. Tausende mussten schon in Quarantäne, sind tagelang drinnen, nah beieinander. Durch die dauerhafte Nähe der Bewohner können Spannungen entstehen, insbesondere wenn Ängste und Sorgen hinzu kommen, oder die Eltern im Homeoffice arbeiten, aber gleichzeitig die Kinder beschäftigen oder betreuen sollten.
In diesem Artikel finden Sie Hinweise und Anregungen zu folgenden Themen:
- Generelle praktische Tipps für Quarantäne und häusliche Isolation
- Massnahmen gegen Ängste
- Mit Kindern über beängstigende Themen sprechen
- Prävention von Konflikten
- Prävention von häuslicher Gewalt
Praktische Tipps für Quarantäne und häusliche Isolation
Wer in häuslicher Isolation oder Quarantäne ist, befindet sich in einem Ausnahmezustand. Die behördlich verordnete starke Beschränkung sozialer Kontakte kann sehr belastend sein. Der Berufsverband Österreichischer Psychologen und Psychologinnen (BÖP) hat ein Merkblatt auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse publiziert, worauf sich die folgenden Empfehlungen stützen.
- Tagesstruktur ist wichtig. Struktur gibt Sicherheit und hilft gegen Chaos. Tagesstruktur ist mit einem Ritual vergleichbar. Die üblichen Aufsteh-, Arbeits- oder Essens- und Schlafenszeiten einhalten, an die aktuelle Situation angepasst. Wer seinen Tag genau plant, beugt Kontrollverlust und Hilflosigkeit vor. Gerade für Kinder ist es wichtig, gewohnte Tagesstrukturen einzuhalten. Es hilft ihnen auch, wenn die Eltern mit ihnen klare Lern- und Freizeiten planen. Die Kinder sollen auch wissen, in welchen Zeiten sich jeder selbst beschäftigt und wann gemeinsame Aktivitäten möglich sind.
- Medien bewusst und gezielt konsumieren. Wir alle haben derzeit ein erhöhtes Informationsbedürfnis, was dem SRF Traum-Einschaltquoten bei ihren Newssendungen und den Online-Portalen sehr viele Zugriffe auf die News-Inhalte beschert. Trotzdem: Es kann belasten, die Entwicklungen rund um das Coronavirus im Live-Ticker zu verfolgen. Wichtig ist, seriöse Quellen zu nutzen und klare Informationen zu bekommen. Auch Kinder sollten trotz Ausnahmesituation nicht unlimitiert Zugang zu digitalen Medien haben. Abmachungen für Bildschirmzeiten für TV, Computer und Mobiltelefon sind wichtig. Und: Vorsicht beim Konsumieren von Radio- oder TV-Nachrichten, wenn Kinder präsent sind. «Besonders für Kinder im Kita- und Grundschulalter sind Nachrichten für Erwachsene nicht geeignet», sagt Iren Schulz, Mediencoach der Initiative «Schau hin!» aus Berlin. «Für Jüngere empfehle ich Eltern, gemeinsam kindgerechte Formate zu nutzen, die die aktuelle Situation altersgerecht erklären.» Zwei Tipps: Der Comic «Covid gegen die Welt», den der New Yorker Unternehmer und Inhaber von GoGORILLA in Zusammenarbeit mit dem britischen Maler und Illustrator Andrew Pinder entworfen hat. Dieser erklärt das Corona-Virus und seine Auswirkungen für Kinder und Erwachsene leicht zugänglich. Das deutschsprachige PDF der Geschichte ist hier kostenlos zum Download bereit. Ausdrucken, vorlesen und mit Buntstiften ausmalen!
Seit April 2020 erhältlich ist das 20-seitige Büchlein «Corona – Das Virus für Kinder erklärt» aus dem Schweizer Wörterseh Verlag. Die Broschüre mit pfiffigen Illustrationen von Priska Wallimann und Marcel Aerni richtet sich an Kinder ab 3 Jahren. - Bewegung ermöglichen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass sich Bewegung positiv auf die Psyche auswirkt. Ist es nicht möglich, das Haus zu verlassen, kommt der Körper auch in der Stube in Schwung: Mit den Kindern wild herumtanzen oder via YouTube an einem Trainingsprogramm teilnehmen. Gemäss den Anweisungen zur Quarantäne des Bundesamts für Gesundheit sind «kurze Frischluftepisoden für unter Quarantäne stehende Kinder» bis 12 Jahre «ohne Kontakt zu Personen ausserhalb der Familie möglich». Sprich: Orte, an denen sich andere Menschen aufhalten sind tabu.
- Kontakte digital pflegen. Videochats oder Telefongespräche mit Familienmitgliedern oder Freunden schaffen Verbundenheit und geben Halt.
- Verständnis zeigen. Manche Kinder brauchen derzeit mehr Geborgenheit und Sicherheit. Wenn das Kind anhänglicher ist, sollten Eltern diesem Bedürfnis nachkommen. Grosse Erziehungsmassnahmen sind jetzt nicht angezeigt. Es ist wichtiger, das Kind durch Zuwendung und Lob positiv zu bestärken.
Massnahmen gegen Ängste
Es braucht Zeit, sich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Ungewohnte Gefühle dürften in dieser Phase bei vielen auftreten. Folgende Ratschläge können helfen:
- Medienkonsum beschränken und von kursierenden Panikmachern fernhalten.
- Auf Positives fokussieren.
- Eigene Gefühle wahrnehmen, vielleicht niederschreiben oder kreativ werden.
- Über Gefühle sprechen, sei dies mit jemandem im näheren Umfeld oder mit einer Fachperson.
- Grübeln begrenzen, sich mit etwas ablenken, was gut tut.
- Entspannungsübungen machen, diese reduzieren Ängste. Im Internet gibt es Anleitungen für Entspannungsübungen.
- Voraus schauen. Die Situation wird vorübergehen. Heute schon darf man Aktivitäten planen, die man ausführen möchte, wenn der normale Alltag wieder möglich ist.
Wie reden wir mit Kindern über beängstigende Themen?
Hilfreich sind diese Hinweise von Charles Benoy von den Psychiatrischen Unikliniken Basel und vom Medienratgeber «Schau hin!»:
- Unabhängig von ihrem Alter wollen Kinder mit ihren Ängsten und Themen ernst genommen werden. Zuhören, nachfragen und Interesse zeigen, ist tröstlich.
- Einen offenen Umgang pflegen, auch mit unerfreulichen Themen. Nichts verheimlichen, aber altersentsprechend erklären.
- Unsachliche Spekulationen und Panik vermeiden. Eigene Überlegungen einbringen, jedoch darauf achten, Ruhe und Geborgenheit zu vermitteln. Die Art und Weise, wie wir über ein Thema sprechen, hat einen Einfluss darauf, ob das Kind Angst bekommt oder nicht.
- Auf positive Wortwahl achten, sie fördert das proaktive Verhalten.
- Immer die Hoffnung aufrechterhalten und zusammen Wege und Möglichkeiten finden, was in der Situation getan oder verändert werden kann.
- Absolutistisches Reden und Verhalten vermeiden, Ausnahmen ermöglichen, flexibel bleiben.
- Wer selber grosse Angst hat, muss sich bewusst sein, dass die eigene Hoffnungslosigkeit aufs Kind übergeht. Wenn möglich sich zuerst mit der eigenen Angst befassen und einen Umgang damit finden.
Ausführlicheres zum Thema Umgang mit Ängsten lesen Sie in unserem Beitrag «Ängste und Kontrollverlust» aus Ausgabe 5/20.
Prävention von Konflikten
Ausser in den Ferien verbringen die meisten Familien nicht so viel Zeit alle miteinander wie aktuell. Sind die räumliche Verhältnisse eng, kann dies zu Konflikten und Streit führen. Folgende Tipps vom BÖP helfen:
- Jeder verbringt klar abgegrenzte Stunden allein für sich.
- Jedes Familienmitglied kann sich zurückziehen.
- Nicht warten, bis die Situation eskaliert. Ärger frühzeitig ansprechen.
- Alleine spazieren gehen.
- An einer täglichen Familienkonferenz erzählt jede und jeder, wie es ihr oder ihm geht und welche Bedürfnisse und Wünsche sie oder er hat.
- Sich selbst und anderen gegenüber nachsichtiger sein als sonst.
- Krisentelefone nutzen. Zum Beispiel: Elternnotruf 0848 35 45 55.
Prävention von häuslicher Gewalt
Die Dachorganisationen für Jungen-, Männer- und Väterarbeit in der Schweiz, Österreich und Deutschland haben am 25. März 2020 gemeinsam ein «Survival-Kit für Männer unter Druck» veröffentlicht. In einer Medienmitteilung dazu schreibt Männer.ch: «Die Zeichen verdichten sich, dass die mit der Corona-Krise verbundenen Einschränkungen zu einer Zunahme häuslicher Gewalt führen.»
Die Empfehlungen zum Selbstmanagement sollen Männern helfen, gewaltfrei durch diese ausserordentliche Zeit zu kommen. Die Tipps gibt es derzeit in acht Sprachen.
- Akzeptieren, was man nicht ändern kann.
- Sich Gutes tun.
- Ordnung schaffen.
- Sich mitteilen.
- Auf die eigenen Grenzen achten.
- Wahrnehmen, was innen drin passiert.
- Einen Plan machen um sich im Notfall zu beruhigen.
- Auf Alarmsignale achten.
- Eigene Verletzungen und Verwundungen ernst nehmen.
zuletzt aktualisiert März 2021