Tipps gegen die häufigsten Stillprobleme
Busenwunde(r)
95 Prozent der Frauen stillen ihr Kind, wenn sie kurz nach der Geburt vom Spital nach Hause gehen – dies zeigen Zahlen der «Baby friendly Hospital Initiative» von Unicef. In den folgenden Tagen und Wochen schrumpft die stolze Quote langsam, aber stetig wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht. Obwohl Mütter von Säuglingen den Leitsatz «Muttermilch ist das Beste für Ihr Kind» so oft zu hören bekommen, dass er sie zuweilen bis in ihre Träume verfolgt. Tatsache ist: Mit 3 Monaten erhält jedes zweite Kind nur noch die zweitbeste Wahl, nämlich Pulvermilch.
Vorweg eine Klarstellung: Muttermilch ist nicht immer das Beste für das Kind. Aus ernährungstechnischer Sicht mag das zutreffen, nicht aber aus ganzheitlicher Sicht. Sind die Schwierigkeiten oder das Unbehagen beim Stillen nämlich gross und verstellen den Blick aufs Mutterglück, ist Schöppeln unter Umständen die bessere Lösung. Denn: Jede Mutter tut ihrem Kind einen Gefallen, wenn sie dafür sorgt, dass sie sich selbst wohlfühlt in ihrer Haut. Deshalb hat Wettbewerbsdenken an der Stillfront nichts zu suchen.
Aber wieso halten sich nicht mehr Frauen an die von WHO, Unicef und Stillbefürworterinnen proklamierte Empfehlung, Babys bis zum sechsten Monat ausschliesslich mit Muttermilch zu ernähren? Darauf gibt es eine einfache Antwort: Die «natürlichste Sache der Welt», wie das Stillen gerne bezeichnet wird, ist nicht per se die leichteste Sache der Welt.
Alleinernährerin?
Es gibt kaum wissenschaftliche Untersuchungen zu den Gründen, wieso sich so viele Mütter dem Stillgebot widersetzen und frühzeitig abstillen. In einer 2011 veröffentlichten internationalen Still-Studie von Philips sagten jedoch 34 Prozent der befragten Frauen, sie hätten nicht länger als drei Monate gestillt, weil sie zu wenig Milch gehabt hätten. Bei 14 Prozent der Mütter verweigerte das Kind die Brust, 23 Prozent gaben an, Stillen sei zu schmerzhaft geworden, 14 Prozent war es zu zeitaufwendig und 6 Prozent erklärten, sie hätten wieder arbeiten gehen müssen. Eine Umfrage im «wir eltern»-Forum hat zu ähnlichen Resultaten geführt: Auch hier war der mit Abstand am häufigsten genannte Grund zu wenig Milch. Stillen wurde ebenfalls als zu schmerzhaft, zu anstrengend, zu stressig oder ganz einfach als unangenehm empfunden. Oder Krankheit und Medikamente machten das Abstillen nötig. Zudem wurde die rhetorische Frage gestellt, wie, bitteschön, man sein Kind sechs Monate lang ausschliesslich stillen sollte, wenn der Mutterschaftsurlaub nur 14 Wochen beträgt? Ja, wie bloss? Antworten und nützliche Tipps finden Sie auf www.stillen.ch.
Stillprobleme
Laut Stillexperten können fast alle Frauen stillen. Nur zwei bis fünf Prozent haben ein anatomisches Problem, nämlich zu wenig Milchdrüsengewebe oder eine seltene Krankheit. Das beste Rezept gegen zu wenig Milch ist: Stillen nach Bedarf. Das heisst: 8- bis 12-mal pro 24 Stunden, also mindestens alle drei Stunden. «Die Mütter fürchten, das Kind zu verwöhnen, wenn sie es zu häufig stillen», sagt Christine Hansen, Stillberaterin IBCLC aus Gümligen BE. Je öfter das Kind an die Brust darf, desto mehr Milch produziert diese. Die Milchproduktion kann auch durch Abpumpen angeregt werden. Beim Stillen nach Bedarf hilft es, die ersten Hungerzeichen des Kindes erkennen zu lernen. Diese sind: Schmatzen, Finger oder Hand in den Mund nehmen, Sauggeräusche machen, unruhig werden. «Verkennt die Mutter die frühen Hungerzeichen und wartet, bis das Kind zu weinen beginnt, hat es oft Mühe, richtig und ausreichend zu trinken und verliert dadurch unnötig Kalorien», so die Stillberaterin.
Sie sind eine Qual und machen das Stillen zur Hölle. Kein Wunder, dass Schmerzen der zweithäufigste Grund zum Abstillen sind. Stillberaterin Hansen betont, dass Stillen keinesfalls wehtun dürfe und dass wunde Brustwarzen mit dem richtigen Stillmanagement gar nicht erst auftreten sollten. Und so gehts: Sind Mutter und Kind wohlauf, das Baby innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt stillen und in den folgenden Tagen möglichst häufig ansetzen. Bevor die Milch um den dritten Tag zu fliessen beginnt, das Baby nicht zu lange saugen lassen. Egal, ob sitzend oder liegend gestillt wird - Mutter und Kind sollten Bauch an Bauch sein. Babys Ohr, Schulter und Hüfte bilden eine Linie.
«Ganz wichtig ist, dass die Brustwarze und Teile des Warzenhofs im Mund des Babys liegen», sagt Hansen. Dazu den Kopf des Babys zur Brust ziehen, sobald es seinen Mund öffnet – und nicht zu lange warten mit dem Stillen. Ist nämlich die Brust prallvoll, hat das Kind Schwierigkeiten, den Warzenhof in den Mund zu bekommen. Kriegt es nur den vorderen Teil der Warze zu fassen, presst es mit den Zahnleisten darauf – innert Kürze sind die Nippel wund und rissig. Kommt es doch zu diesem Malheur, unbedingt eine Stillberaterin beiziehen. Die wunden Stellen können mit babyverträglichem Wollfett (Lanolin) betupft werden. Manchmal helfen Stillhütchen. Auch Abpumpen und die Milch im Fläschchen füttern ist weniger schmerzhaft und wird von manchen Frauen vorgezogen. Beginnen die Brustwarzen erst einige Wochen nach der Geburt zu schmerzen, kann die Ursache auch Soor sein. Ein Hinweis auf die Pilzinfektion sind weisse Pünktchen im Mund des Babys. Die Ärztin kann ein Medikament verschreiben, abstillen ist nicht nötig.
Befindet sich in den Milchgängen zu viel Milch, spannt und schmerzt die Brust. Rote Flecken, harte Stellen und leichtes Fieber sind Anzeichen für einen Milchstau. Der häufigste Grund dafür: Das Baby trinkt die Brust nicht leer. Oft hilft es, vor dem Stillen die überflüssige Milch unter der Dusche auszustreichen oder warme Kompressen aufzulegen, damit sich die Milchgänge erweitern. «Das Kind soll zuerst an der schmerzenden Brust saugen und diese leer trinken», rät Hansen. Nach dem Stillen Quarkwickel auflegen: Zimmerwarmen Quark fingerdick zwischen ein dünnes Stofftuch streichen und um die Brust legen, mit einem Frottiertuch bedecken. Und: Im Bett bleiben, sich Ruhe gönnen, viel trinken und häufig stillen. Haushalt vernachlässigen. Vom Milchstau ist der Weg nicht mehr weit zur Brustentzündung. Die sogenannte Mastitis wird von Fieber, meistens über 38,5°C, und grippeartigen Symptomen begleitet. Quarkwickel sind jetzt unerlässlich und wirken Wunder. Bessern sich die Symptome nicht: innerhalb von 24 Stunden Ärztin aufsuchen. Die entzündeten Stellen könnten vereitern, ein Abszess droht. Weiter stillen ist möglich, auch wenn ein Antibiotikum nötig wird.
Stillen ist in der ersten Zeit nicht immer so einfach, wie es gerne dargestellt wird. Kaum erstaunlich, weder Mutter noch Kind sind beim ersten Mal Profis. Heute wird werdenden Müttern suggeriert, ein Baby sei das Sahnehäubchen auf einem beruflich und privat erfolgreichen Frauenleben. Die Realität ist, dass das Kind den Alltag der Mutter auf den Kopf stellt und ihren Tagesrhythmus bestimmt, ohne Rücksicht auf deren Bedürfnisse oder Schlafbedarf. Hansen: Die Mutter muss in ihre Rolle hineinwachsen.» Dazu soll sie herausfinden, ob sie sich frei genug fühlt, in der Öffentlichkeit zu stillen, ob sie mit der gegenseitigen Abhängigkeit, die das Stillen mit sich bringt, zurecht kommt, wie der Partner auf die Stillbeziehung reagiert. Viele Mütter stellen hohe Ansprüche an sich, lassen sich durch gesellschaftliche Normen unter Druck setzen. Im Alltag stellen sie dann fest, dass sie unerreichbaren Idealen hinterherjagen, dass ihnen alles über den Kopf wächst. Hier können Gespräche oder der Austausch mit stillerfahrenen Müttern helfen. Möglicherweise entscheidet sich die Frau zum Abstillen. Oder findet zur entspannten Haltung unserer Forumsbesucherin: «Ich mache mir nicht mehr den Stress, immer das Beste für meine Kinder zu wollen.»