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Neujahrsvorsätze – die Kinderedition
Ich bin ja grosser Fan davon, sich mit Freunden und Familie eigene Traditionen zu schaffen. Dinge tun «weil man das eben so macht» finde ich eher befremdlich – auch wenn sie durchaus schön und nützlich sein können. Aber grundsätzlich bin ich eher skeptisch: Tannenbäume, Weihnachtsmärkte, Glühwein saufen, Christmesse, Geschenkemassaker, «Last Christmas», Bleigiessen, Silvesterparty/Ferngucken. Das war alles schon vor mir da, das hat wenig bis gar nichts mit mir zu tun. Klar kann man ein paar schöne Traditionen von den Eltern übernehmen, aber das meiste wirkt wie fremdgesteuert. Ich finde es zum Beispiel doof, wenn die Kinder so viel geschenkt kriegen, dass für sie alles irgendwann nur noch Zeug ist, das sie gar nicht wertschätzen können. Ich HASSE «Last Christmas». Und Silvester mit Kindern dauert immer viiieeel zu lange. Ein einziges Jahr haben wir es geschafft, einfach alle schon um 23 Uhr im Bett zu sein, aber ansonsten gab es jedes Mal diesen peinigenden Durchhaltemarathon. Mit Raketen. Mit Fernsehen, Essen und noch mehr Fernsehen.
Vor 2 Jahren haben die Kinder und wir dann beschlossen, dass wir genug haben. Ab jetzt gibt es von 18 – 22 Uhr Silvesterschwimmen mit Saunagängen. Anschliessend gemütlich essen, reden, kurz fernsehen wegen Countdown, Feuerwerk gucken, Bett. «Oh nein», sagt die Uroma, «das macht man doch nicht». Doch, wir machen das jetzt so. Genau deswegen. Keine durchgenörgelte Warterei mehr mit völlig übermüdeten Kindern. Stattdessen ein Spassprogramm. Und das Allerbeste an dem Abend sind die Gespräche. Traditionelle Bräuche lassen sich nämlich wunderbar mit eigenen Ideen zu etwas Neuem vermischen. In unserem Fall sind das die guten Vorsätze fürs neue Jahr und Pläneschmieden. Wir haben fast nie Zeit, uns von den Kindern zusammenhängend erzählen zu lassen, was sie sich so alles vornehmen, wünschen und anstreben: Das goldene Schwimmabzeichen. Wieder ins Feriencamp. Vielleicht noch ein Geschwisterchen. Papa, schreib ein Buch für mich! Nicht so viel Stress in der Schule. Skateboard fahren lernen. Manchmal netter sein. Und so viel mehr.
Mit jedem umrissenen Vorhaben fällt mir mehr auf, wie sehr es mir im Alltag fehlt, so ausgiebig an der Welt meiner Kinder teilhaben zu dürfen. Viel zu oft bestehen meine Sätze aus Anweisungen und Sachinformationen. «Kannst du bitte…» und «Wir müssen aber noch…».
Und plötzlich hat man einen eigenen Neujahrsvorsatz:
Besser zuhören!
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.