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Der Chef im Haus
Bei uns im Haus ist Theo klar der Chef. Er hat zwar selten die Hosen an weil er grundsätzlich am liebsten nackig ist, aber ansonsten tanzt alles nach seinen Quietschern. Er wacht zwischen fünf und sechs auf und Zack! ist einer von uns der Depp. Entweder die schöne Frau neben mir, die so aussieht, als könnte sie problemlos bis übermorgen durchschlafen oder ich, der in solchen Momenten Schwierigkeiten damit hat, einzuordnen welcher Lebensform er angehört. Irgendetwas total Schleimiges jedenfalls, das überhaupt nicht aus der Hüfte kommt, weil es nämlich gar keine Hüfte hat. Glücklicherweise ist es bei ihr und mir noch nicht so weit, dass wir anfangen Schnarchgeräusche zu machen, sobald sich Theo meldet und schliesslich dazu übergehen, den anderen unter der Decke mit den Füßen zu treten, damit er oder sie sich gefälligst zuständig fühlt. Nein, selbst frühmorgens diskutieren wir das fair aus.
Ich: «Äääh!»
Sie: «Röööööööh!!»
Theo: «Huu.»
Ich: «Ääöh.»
Sie: «Hmpf!»
Theo: «Ga oh?»
Also alles klar. Ich soll dieses Mal die Frühschicht übernehmen, morgen muss die Liebste sowieso früher raus und kann das dann machen. Die Große soll ihre Schwimmsachen nicht vergessen. Sie hat von Binomialkoeffizienten geträumt. Theo will wissen, was da so lange dauert. Ich heb ihn raus, er patscht mir ins Gesicht. Macht er nur mit Leuten, die er gern hat. Trotzdem: Wir andern machen das nicht. Aber Cheffe juckt das nicht, er will jetzt was essen:
«Hu!»
Ja, schon klar, einen großen Brei. Wickeln doof, wieder hochheben, Tragen beim Brei machen, lass mich zu meiner Schwester, beug deinen Kopf runter, ich will an deinen Haaren ziehen! Alles wird ziemlich eindeutig gehuht und alle machen mit. Der Bruder lässt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Haaren ziehen, die Schwester füttert ihn heute wunschgemäss und das schleimige, hüftlose Vatergeschöpf führt eine mittelschwere Zirkusnummer auf, damit Il Duce sich beim anschliessenden Wickeln nicht auf die Seite dreht. Wäre eigentlich preisverdächtig, bekommt aber nur einen lauen Breiregen.
«Brrrrrrrr!»
Warum machen wir das alle mit? Naja, der guckt halt so. Und dann schaut er auch noch. «Der hat so Samthaut», sagt seine Schwester. «Das ist der lustigste Typ, den ich kenne» sagt sein Bruder. He, was ist mit mir? Haut habe ich ja wohl auch, erinnere ich mich nach anderthalb Tassen Kaffee (mit Theo auf dem Arm, weil «Hu!»). «Ich bin auch total lustig!», gebe ich bekannt. Mitleidige Blicke.
«Komm, wir gehen in die Schule.»
«Hu?»
«Ja, wir nehmen dich noch mal auf den Arm.»
«Mich nimmt nie einer auf den Arm!», maule ich.
«Ach Papa, sei nicht traurig. Wir backen im Kochkurs und ich bring dir was mit.»
«Echt?»
«Nee, ich haben dich nur auf den Arm genommen. Besser jetzt?»
Früher habe ich mir ja gerne eingeredet, mein Achtjähriger hätte seine Schlagfertigkeit von mir. Ich sollte wohl aufhören, mich so selbst zu beweihräuchern. Er ist mir um Längen voraus.
«Hu!»
«Wir gehen jetzt. Und ärger Theo nicht so viel!»
Ich hab hier wohl gar nichts zu sagen.
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Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.