Bio boomt. Nicht zuletzt in Familien. Denn spätestens für die erste Breikost des Babys setzen viele Eltern auf Gemüse und Fleisch aus biologischem Anbau. Aber lohnt sich das auch?
Seit Bio aus der Birkenstock-Ecke der Reformhäuser in die Grossverteiler marschiert ist, macht der alternative Anbau Furore. Wer nicht schon zu den Gesundessern gehört, überlegt sich oft spätestens wenn der erste Babybrei gekocht wird, ob er dafür noch die «ganz normalen» Rüebli kaufen darf oder nicht doch besser die Bio-Rüebli kochen soll. Ein Fakt, den auch die Mütterberaterin Beatrice Avduli aus Zürich beobachtet: «Fürs Essen ihrer Babys ist vielen Müttern und Vätern nur das beste gut genug und sie möchten alles verhindern, was ihrem Nachwuchs schaden kann.» Oft greifen sie deswegen zum erstenmal in ihrem Leben zu Bio-Lebensmitteln.
Nicht vitaminreicher …
Da Babys in Relation zu ihrem Körpergewicht drei- bis viermal so viel Nahrung zu sich nehmen wie Erwachsene, ist die Versorgung mit gesunden und schadstoffarmen Lebensmitteln für ihre Entwicklung unabdingbar.
Doch lohnt sich der nachhaltige Einkauf auch? Der Gold-Standard «Bio» hat in letzter Zeit einiges an Glanz verloren. Nicht nur, weil bekannt geworden ist, dass etwa in Deutschland einige Händler aus dem Ausland Produkte zukaufen, die nach weniger strengen Kriterien produziert wurden, um die gewachsene Nachfrage zu decken. Sondern auch weil einige neuere Studien belegt haben wollen, dass Bio eben doch nicht gesünder sei. Im Januar etwa zitierte das «Journal of Agricultural and Food Chemistry» eine Studie dänischer Forscher, gemäss der in biologisch produzierten Zwiebeln, Kartoffeln und Rüebli der Gehalt an Polyphenolen nicht erhöht ist. Polyphenole gehören zu den Antioxidantien, die eine gesundheitsfördernde Wirkung etwa auf das Immunsystem haben. Trotzdem lohnt sich laut den Wissenschaftlern der Aufpreis für biologische Lebensmittel: Ihre Produktionsart schont zumindest die Umwelt.
… aber schadstoffärmer
Tatsächlich sind Eltern, die sich für biologisch erzeugte Produkte entscheiden, auf der sichereren Seite, was Pestizid-Rückstände und Nitrat in der Nahrung angeht. «Biobauern beseitigen Unkräuter mit der Hacke oder durch Abflammen, anstatt mit der chemischen Keule», erklärt die Ökotrophologin Kathrin Seidel von der Fachgruppe Lebensmittelqualität und -sicherheit im Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL in Frick. Synthetische Pestizide sind ebenso streng verboten wie chemische Kunstdünger. Biologisch gehaltene Tiere dürfen häufiger draussen sein und werden ausschliesslich mit biologisch erzeugtem Futter gefüttert. Auch ist es verboten, sie vorbeugend mit Antibiotika zu behandeln. Als Folge der speziellen Anbau- und Haltebedingungen sind biologisch erzeugte Gemüse und Früchte pestizidfrei und wesentlich schadstoffärmer als konventionell erzeugte: Milch, Milchprodukte, Fleisch und Eier etwa sind frei von Antibiotika und andern Medikamentenrückständen. Ähnlich sieht es bei Biofisch aus, besonders bei tropischen Arten wie Pangasisus, aber auch bei Forellen und Lachs. «Die Kontrollen der Verteiler sind sehr penibel und gründlich», so Seidel. «Wurden die Pestizid- und andere Schadstoffrückstände getestet, weisen biologische Produkte im Mittel rund 100-mal weniger Pestizide auf als konventionelle.»
Bei gewissen Bioprodukten lohnt sich der Kauf auch aufgrund der veränderten Nährstoffe gegenüber konventionell erzeugten Lebensmitteln. «Wie gesund Milch und Milchprodukte sind, hängt stark von der Fütterung der Kühe ab», weiss Kathrin Seidel. Tiere, die häufiger draussen sein dürfen, fressen viele verschiedene Gräser. «Bio-Milch und Milchprodukte enthalten deshalb durchschnittlich mehr fettlösliche Vitamine A und E, mehr lebensnotwendige, mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren und mehr konjugierte Linolsäure CLA, welche unter anderem das Immunsystem stärken, Krebs vorbeugen und vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen können», so Seidel. Forscher in den Niederlanden haben zudem herausgefunden, dass der Konsum von Bio-Milchprodukten in den ersten zwei Lebensjahren mit einem geringeren Risiko für Ekzeme einhergeht. Bei Bio-Fisch fallen die Unterschiede im Vergleich zu konventionell gehaltenem Fisch geringer aus. Zu Fleisch gibt es bis heute zu wenige Studien, und bei Gemüse und Obst fallen die Resultate der Studien bislang widersprüchlich aus. Während die einen besagen, dass biologisch erzeugte Gemüse und Früchte tatsächlich mehr Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe haben als konventionell angebaute, konnte dies in andern nicht belegt werden.
Aller Entzauberung von Bio zum Trotz, überwiegen die Vorteile. Zumindest für Konsumenten, die sich den Aufpreis leisten können. Wer trotz allem keine Bio-Lebensmittel kaufen und selber kochen mag, ist, zumindest was den Schadstoffgehalt angeht, mit fertig gekauften Babygläschen gut bedient.