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Was soll bloss aus dem Kind werden?!
zvg
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Meine Tochter ist jetzt in diesem Alter: In ein paar Tagen wird sie elf und da ist es dann allmählich vorbei mit den coolen Kinderberufswünschen, bei denen man als Erwachsener still in sich hineinlacht und sich – wenn man Glück hat – noch daran erinnert, was man sich selbst früher zurecht gesponnen hat. Seefahrerin, Weltraumpilotin, Fliegendompteurin – das war einmal. Ab jetzt werden andere Seiten aufgezogen. Und das treibt mich ganz schön um, weil die Berufswünsche von Teenies und denen, die es ganz dringend werden wollen (Zehn- bis Zwölfjährige), allesamt Chiffre für Berühmtsein sind. Berühmt im Sinne von YouTube-Star, Model, Profifussballer oder Designerin.
Dass das alles utopisch ist und sehr viele in den diversen Haifischbecken jämmerlich zugrunde gehen werden, darüber brauchen wir uns gar nicht zu unterhalten. Auch nicht darüber, dass wir früher alle tanzen können wollten wie Michael Jackson oder singen wie Whitney Houston. Ruhm hatte schon immer seinen Reiz und seine Verlockungen. Aber noch nie war Berühmtheit so gleichbedeutend damit, möglichst viel Geld mit möglichst wenig Aufwand zu verdienen. Also mit irgendwas, das nicht so anstrengend ist oder wirkt und bei dem möglichst viel Zeit übrig bleibt, um an den Traumstränden dieser Welt gepflegt zu entspannen. YouTube-Star ist dafür perfekt. Denn das bekannte Zitat von Andy Warhol darüber, dass in der Zukunft jeder seine 15 Minuten Ruhm haben wird, ist bis auf eine winzige Kleinigkeit für unsere Gegenwart absolut zutreffend. Nicht «wird» sondern «will». Beinahe jeder will seine 15 Minuten Ruhm und glaubt auch irgendwie darauf Anspruch zu haben. Also wird gemacht und getan. Next Topmodel, Next YouTube-Star, Next Singer/Songwriter/Model/DJane/Schmuckdesignerin. Next Medienpersönlichkeit. Wie es hinter den Kulissen zugeht, interessiert Kinder und Jugendliche verständlicherweise herzlich wenig.
Erwachsene auch nicht. Die sind ja auch vollauf damit beschäftigt, ihre 15 Minuten Ruhm einzufordern, und lassen sich unter anderem als Nichtalpinisten auf den Mount Everest schleifen, um anschliesend davon zu berichten, wie unfassbar sie diese Erfahrung verändert hat.
Bin ich altmodisch, weil ich meiner Tochter wünsche, dass sie etwas tut, was sie möglichst oft mit Freude und Sinn erfüllt? Wahrscheinlich schon. Aber genauso ist es. Deshalb auch keine Berühmtheit. Berühmtheit ist kein Beruf, es ist ein Zustand. Und eine ziemliche Zumutung.
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.