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Mann unter der Geburt
zvg
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Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von der Fruchtblase meiner Liebsten ausging, dass mein Kind geboren würde. Oder mit einem anderen, weniger weihnachtsgeschichtlichen Wort: Flatsch! Mitten im Küchentürrahmen ist ihr die Fruchtblase geplatzt, und obwohl es ihr erstes Kind ist, fordert sie mich noch völlig entspannt auf, die Dielen zu wischen, bevor ich die Hebamme rufen darf. Aber es ist ja auch mein erstes Kind. Also mache ich Alarm während ich putze. Aaah, wischen, aaaah, anrufen, aaaah! Die Hast stellt sich jedoch als unbegründet heraus. Meine dickköpfige Tochter fühlt sich wohl, wo sie ist, und denkt gar nicht daran, uns mit ihrer Anwesenheit zu beglücken. Erst als ihre Mutter sie nach 20 Stunden Wehen und angedrohtem Kaiserschnitt pränatal beschimpft, hat sie es plötzlich eilig. Nach der Entbindung wuselt das Krankenhauspersonal um mein Töchterchen herum und ich kann sie nicht sehen. Kein Laut ist von ihr zu hören, bis sie nach endlosen Sekunden einmal vernehmlich quietscht. Kaum 3 Minuten alt weiss sie also schon, was für ein Schisser ihr Vater ist.
Sehr eilig hat es mein Zweitgeborener, auch wenn mir die Hebamme das nicht so recht glauben will. Ich schiebe also ein bisschen Stress am Telefon und sie verspricht mir, nach ein paar Besorgungen sofort bei uns vorbeizukommen. Im Hintergrund schreit die werdende Mutter, die mit Abstand der härteste Knochen ist, den ich je kennengelernt habe, und sonst nie schreit. Zwanzig Minuten, nachdem die Hebamme die Wohnung betreten hat, ist mein Söhnchen da. Ein winzig kleiner Bub, der furchtbar friert und sich erst beruhigt, als ich ihm etwas vorsinge. Fast drei Wochen zu früh. Ich hab Sorge, dass ich ihn zerbreche.
Mein drittes Kind ist eher so der Denkertyp. Hand am Kinn, Ellbogen auf dem Hüftknochen seiner Mutter kommt er nicht so richtig voran und vermasselt uns beinahe die Hausgeburt. Alles zieht sich, mehrere Male dämmere ich fast weg. Dafür wird das Finale spannend. Die Krankenhausdrohung wirkt und mein Sohn wird stehend im Hausflur geboren – mitten in meine Arme. Er ist ein dicker, zufriedener kleiner Mann, der die entspannte Routine um sich herum schätzt und warme Handtücher liebt.
Jetzt warte ich auf mein viertes Kind. Bislang hatte ich unter der Geburt bereits:
- Tränen in den Augen
- Gewaltphantasien gegen Anästhesisten
- nichts gegessen
- einen Kloss im Hals
- Langeweile
- Alles im Griff
- einfach keine Lust mehr
- Panik
- unendliche Erleichterung
- und tausend andere Sachen
Mal sehen, was passiert.
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.