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Elternratgeber auf dem Prüfstand: ein Lesetipp
zvg
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Wie haben unsere Mütter bloss das Babyalter von uns überlebt? Ich meine so ganz ohne Internet, Google, Ratgeber en masse? Die armen Frauen hatten ja keine Ahnung von Entwicklungsschüben und konnten in durchwachter Nacht kein Internetforum konsultieren, um sich den Rat anderer schlafloser Mamis zu holen. Sie hatten zwar die Elternbriefe der Pro Juventute, aber noch keine Heimbibliotheken voller Ratgeber von Kinderärzten, Entwicklungspsychologen und Evolutionsbiologen. Ein Baby versorgen so ganz ohne wissenschaftlich fundierte Gebrauchsanleitung? Zu Hülf!
Bereits die gut informierte Schwangere weiss aufgrund zahlreicher Bücher und Webseiten, wie sich ihr Baby im Bauch gerade entwickelt und wie sich ihr Körper derweil verändert. Frau trifft sich mit anderen Mitschwangeren im «Dezemberlis 2016»-Forum und tauscht sich über den (noch nicht) wachsenden Bauch und andere Schwangerschaftsbegleiterscheinungen aus. Ist das Baby dann da, werden weiterhin fleissig Foren konsultiert und Ratgeber gelesen – die Auswahl ist riesig und unerschöpflich. Und die Fragen sind – jedenfalls beim ersten Baby – zahlreich.
Da unsere Tochter in den ersten Wochen sehr oft Hunger hatte und eine eher langsame Trinkerin war, hatte ich viel Zeit zum Lesen (man kann schlicht nicht stundenlang einem trinkenden Baby zuschauen). Ich hab sie alle durch, «Oje, ich wachse» (Hetty van de Rijt/Frans X. Plooij), «Babyjahre» (Remo H. Largo), «Das glücklichste Baby der Welt» (Dr. Harvey Karp) und so weiter. Mein absoluter Favorit ist aber folgendes Buch: «Kinder verstehen. Born to be wild: Wie die Evolution unsere Kinder prägt.» von Herbert Renz-Polster. Der Autor ist Kinderarzt und erklärt viele Verhaltensweisen unserer Babys aus evolutionsbiologischer Sicht – und das alles sehr verständlich, humorvoll und spannend erläutert. Wenn mir je wieder jemand mit, «du musst dein Kind nur schreien lassen, dann lernt es schon schlafen», kommt, leiere ich die evolutionsbiologische Erklärung runter, warum das kräftig stinkender Kuhmist ist. Gut, wer mit der Wissenschaft auf Kriegsfuss ist oder ein eher schöpferisches Weltbild vertritt, wird wohl mit diesem Buch nicht glücklich. Allen anderen lege ich dieses Werk ans Herz. Auch alle, denen bindungsorientierte Erziehung zu viel «Gspürschmi» und Psychologenkram ist, finden hier viele interessante Inputs.
Bei aller Liebe zur Information: ab und an muss man aber die Ratgeber auch weglegen. Bis die Liste mit den Hungerzeichen eines Babys Punkt für Punkt abgehakt ist, schreit der Knopf Zeter und Mordio. Da hilft eigentlich nur eines: von Herzen da sein und dabei auch das Smartphone möglichst in der Ecke liegen lassen. Dann regt sich in unserem Innern hoffentlich so etwas, das gemeinhin unter dem Begriff «Instinkt» bekannt ist und im Dschungel der Informationen untergeht, wenn man ihm nicht ab und an Platz bietet. Und dieser Instinkt sagt uns meist zuverlässig, was jetzt gerade richtig im Umgang mit unserem Baby ist.
Claudia Joller ist 1984 im Fricktal geboren und hat sich ins Luzerner Exil abgesetzt. Sie unterrichtet Wirtschaft und Gesellschaft an einer Berufsschule und ist seit Februar 2016 Mutter einer kleinen Tochter. Seit der Geburt ist eigentlich so gut wie gar nichts mehr, wie es vorher war und sie ist staunend freudig gespannt, was die Reise mit dem kleinen Leben an der Hand noch für Abenteuer für sie bereit hält. Alle Blog-Beiträge von Claudia Joller finden Sie hier.