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Homosexualität: Eine Waffe? So ein Quatsch!
Mein Achtjähriger vertritt, wie ich gelegentlich schon erwähnte, eine ziemlich eindeutige Position in Bezug auf Religionen. Für ihn sind die alle Quatsch, eine wie die andere. Interessanterweise lässt er mit seiner grundsätzlichen Ablehnung mehr Fairness walten als viele von denen, die sich gerade über spezifische Religionen die Köpfe heiss reden. Über den Islam zum Beispiel. DEN Islam. Menschen nennen sich islamkritisch, haben aber keine Ahnung davon, was die 5 Säulen desselben sind. Das ist ungefähr so als würde man das allgemeine Wahlrecht kritisieren, aber die Grundsätze dieses Rechts nicht kennen. «Find ich doof!» ist in beiden Fällen nicht ausreichend, hat aber gerade Konjunktur. Unter Berufung auf dieses Prinzip werden Demonstrationen abgehalten, Parteien gegründet und Ausgrenzungen vorgenommen. Menschen, deren religiöser Primärtext vor Gewalt, Unterdrückung und Widersprüchlichkeit nur so strotzt, regen sich darüber auf, dass die ihnen fremde Religion anderer Menschen Gewalt und Unterdrückung befürwortet sowie widersprüchlich ist. Nicht nur für Atheisten wie mich eine ausgesprochen befremdliche Vorgehensweise. Es fällt mir schwer, Verständnis für Leute aufzubringen, die Thor, Shiva, Zeus und andere Gottheiten für so wenig real wie ich halten, die die Gottheit(en) ihrer Religion dafür umso echter befinden. Aber ich versuche es.
Manchmal gelingt es mir jedoch nicht. Wenn ich mir dieses Video anschaue, mit dem Zeugen Jehovas ihre Indoktrination von Kindern gegen Homosexualität bebildern, möchte ich strahlkotzen.
Homosexualität als Tasche voller gefährlicher Waffen, die man zurücklassen kann. Zurücklassen muss! «Menschen können sich ändern!» Und nicht zu vergessen: «Jehovas Standards haben sich überhaupt nicht verändert.» Hurra aber auch. Schwul und lesbisch sein geht also gar nicht und gehört abgeschafft. Raub, Mord und Vergewaltigung im Namen eines eifernden Gottes sind hingegen immer noch hip. Gut zu wissen. Gut zu wissen ist auch, wo diese Menschen stehen und was ihre Religion aus ihnen macht: Menschen, die andere Menschen nicht etwa für etwas bestrafen wollen, was sie getan haben, sondern für etwas, was sie sind. Menschen, die sich selbst so wichtig nehmen, dass sie lieber an einen allmächtigen, persönlichen Gott glauben, der besessen davon zu sein scheint, was wir so nackt miteinander treiben, als an die Unantastbarkeit der Würde ihrer Mitmenschen.
Alles Quatsch, würde mein Sohn sagen. Recht hat er.
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.