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Reuige Rabenmutter
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann
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istockphoto
Es war der Spiegel Online, der die «Frechheit» besass, letzte Woche ein Interview mit Mutter und Tochter zu publizieren. Das Thema: «Regretting motherhood». Ihr erinnert euch vielleicht an den Hashtag im letzten Jahr, bei dem herauskam, dass sehr viele Frauen das Kinderkriegen bereuten. Dies nahm der Spiegel zum Anlass, um endlich auch ein Kind zu Wort kommen zu lassen. Viel geredet hat es indes nicht. Dafür die Mutter umso mehr.
In dem Interview erklärt sie, warum sie mit ihrer Mutterrolle unglücklich war (denn jetzt geht es ihr besser, seit sie wieder berufstätig ist). «Man bekommt ein Kind und ist nur noch Mutter. Das muss dann das Allerwichtigste sein. Nach mir fragt niemand mehr. Mein Mann darf sich über seinen Beruf definieren, ich nicht. Ich bin als Mensch hinter dem Muttersein verschwunden. Irgendwann habe ich gemerkt: Ich bin nicht ausgefüllt, ich brauche auch ein Leben ohne meine Kinder.» Darauf hingewiesen, dass berufstätige Mütter längst Alltag seien, klärt sie auf: «Anders als bei einem Vater wird die Berufstätigkeit einer Mutter nur dann akzeptiert, wenn Haushalt und Familie nicht darunter leiden. Es geht aber nicht nur um die Frage nach der Berufstätigkeit, auch wenn sie wichtig ist. Die Mutterrolle, die von mir verlangt wird, empfinde ich als permanente Überforderung. Es gibt Frauen, die gehen total darin auf, wenn sie sich nur mit Kindern befassen. Und es gibt Frauen, die beschäftigen sich gern mal mit Kindern, aber nicht ständig. Zu dieser Gruppe gehöre ich. Das wird aber nicht akzeptiert.»
Lesen wir das doch nochmals in Ruhe durch. Was sagt sie denn so Schlimmes? Dass ihr die Kinder zum Glück alleine nicht genügen? Wieviele Mütter gibt es, die nur dank ihrer Kinder glücklich sind und sonst im Leben nichts brauchen? Den Mann, den Beruf, Freunde, Hobbies? Man kann jetzt argumentieren, dass sie zu wenig selbstbewusst ist und einfach auf die Meinung anderer hätte pfeifen sollen. Aber das ist Charaktersache und nunmal nicht allen gegeben. Ansonsten sagt sie nichts, was von den meisten Vätern und sehr vielen Müttern ebenfalls so erlebt wird.
Währenddessen bestätigt die Tochter, ihre Mutter sei sicherlich keine schlechte Mutter. Und sie verstehe jetzt, dass Mama lieber keine Kinder gehabt hätte. Doch dann lässt uns die – meines Erachtens etwas tendenziös berichtende – Autorin wissen, dass die 19-Jährige ins Badezimmer verschwindet und man sie schluchzen hört.
Natürlich ist es nicht einfach für ein Kind – auch wenn es «schon» 19 ist – zu hören, dass Mama vielleicht ohne sie glücklicher geworden wäre. Aber die Kritik, welche in den Kommentaren ausgeübt wird, die Mutter hätte es gefälligst für sich behalten sollen, finde ich falsch. Kinder merken, wenn wir Eltern überfordert und unglücklich sind. Ihnen nichts zu sagen, ist glaube ich schädlicher, als ehrlich zu sein. Die Mutter gibt mit keiner Silbe den Kindern die Schuld, dass sie unglücklich ist, DAS wäre schlimm. Sie sagt lediglich, dass die Erwartungshaltungen an eine Mutter nach wie vor nicht immer der Realität entsprechen. Deshalb frage ich nochmals: Was sagt sie denn so Schlimmes?
Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.