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Ein Wort zu Hausgeburten
zvg
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Wenn ich nach der Geburt eines meiner Kinder zum örtlichen Meldeamt gehe, bricht eine mittelschwere Panik aus. Eine sehr freundliche, Formulare herauskramende, «Ach du meine Güte, das haben wir ja noch nie gemacht» Panik. Meine Kinder sind nämlich alle, bis auf eines, Hausgeburten. Die Chefin von dem Ganzen hätte unsere Grosse zwar auch gerne Zuhause zur Welt gebracht, aber die war so ein klassischer «Ich stehe im Küchentürrahmen und, hoppla, die Fruchtblase ist geplatzt» Fall. In Bezug auf eine mögliche Hausgeburt bedeutet dies schlicht und ergreifend, dass die Uhr tickt. Dem Umstand, dass mit jeder Stunde das Infektionsrisiko steigt, wird man am besten in einer medizinischen Einrichtung gerecht. Überhaupt sind Haus- und Klinikgeburten keine rivalisierenden Gangs, die um Territorium streiten, sondern Schwestern. Wenn man eine Hausgeburt plant, meldet man sich trotzdem bei einer Klinik an. «Hallo, wir sind Familie Soundso und planen eine Hausgeburt.» Die korrekte Erwiderung auf diese Ansage lautet «Ach, schön! Dann hoffen wir mal, dass Sie uns nicht brauchen.» Falls das Personal dort ohne jede medizinische Indikation von einer Hausgeburt abraten will, kann man gerne vor Ort in schallendes Gelächter ausbrechen, sollte sich die rüden Gesten aber für den Parkplatz aufsparen.
Man muss es an dieser Stelle klar sagen:
Von den beiden Schwestern wird die Hausgeburt sehr viel schlechter behandelt als die Klinikgeburt. Und das, obwohl es dafür überhaupt keinen Grund gibt. Hausgeburten an sich sind weder esoterisch, noch riskant oder gar gefährlich. Sie werden überhaupt nur dann in Betracht gezogen, wenn Schwangere und Fötus absolut der Norm entsprechen. Nicht zu alt, nicht zu jung, nicht zu schwer, nicht zu leicht. Keine Raucherin. Keine Steisslage. Keine im Weg rumlungernde Plazenta. Nix. Wenn die Schwangerschaft so unauffällig ist, dass sie in ein paar Sätzen zusammengefasst werden kann und alle dabei vor Langeweile leicht wegdämmern, dann ist Hausgeburt eine Option.
Eine wunderschöne übrigens. Meine Frau ist in ihren eigenen vier Wänden am stärksten. Sie tigert unter der Geburt gerne nackt durchs Haus. Sie will nach der Geburt alle ihre Kinder sehen und Hühnersuppe von ihrer Mutter essen. Eine Geburt zu etwas grundsätzlich Klinischem zu erklären, negiert all die Dinge, die ihr Kraft geben und sie ausmachen. Das klingt nicht wirklich nach einer guten Idee. Und deshalb kann ich ohne Übertreibung sagen: Wir haben gerade eine Hausgeburt hinter uns gebracht und es ist ein bisschen schade, dass es unsere letzte sein wird.
Nils Pickert (1979), geboren in Ostberlin, nach dem Mauerfall mit einer waschechten Kreuzbergerin angebändelt. Gegenwärtig 4 Kinder: Emma (12), Emil (10), Theo (2½) und Maja (bald 1). Arbeitet als freier Journalist für diverse Medien und als Weltverbesserer bei dem Verein Pinkstinks, der sich unter anderem gegen Sexismus in der Werbung engagiert. Wurde von der «Weltwoche» mal als «maximal emanzipierter Mann» beleidigt, findet aber, dass ihm der Titel steht. Bloggt für «wir eltern» über Alltag mit Kindern, gleichberechtigtes Familienleben, neue Väter, Elternbeziehungen, Erziehungswahnsinn. Alle Blogg-Beiträge von Nils Pickert finden Sie hier.