Wenn die Enkel die Welt entdecken, dann haben wir die Chance, sie mit neu zu entdecken. Zuweilen ist es aber gar nicht so einfach, die Merkwürdigkeiten unserer Zivilisation zu erklären.
Wer mit kleinen Enkeln durch die Welt spaziert, entdeckt die Welt neu. Nicht einfach, weil es Neues zu entdecken gibt. Nein, wir Erwachsene kennen ja alles, da gibts nicht mehr viel Neues zu entdecken - meinen wir jedenfalls. Wir haben verlernt, die kleinen Schönheiten und Wunder der Natur oder die vielen kleinen Merkwürdigkeiten unserer Zivilisation auch wirklich noch bewusst wahrzunehmen. Denn die sind uns längst so fest zur Gewohnheit geworden, dass sie aus dem Radar unserer Entdeckerneugier und damit auch unseres Staunens verschwunden sind.
Bei den Kleinen ist das natürlich anders. Für die ist alles neu, schön, geheimnisvoll und der Aufmerksamkeit wert. Schnecken zum Beispiel: Gut eine schöne Weinbergschnecke mit Häuschen hat durchaus etwas ästhetisches; die braunen langen Nacktschnecken aber, die finden wir doch einfach nur gruusig, und wenn wir Salat pflanzen einfach nur lästig und gerade Mal das Geld für die Schneckenkörner wert. Lio findet sie interessant und will sie unbedingt sehen, wenn wir spazieren. Zuschauen, wie sie langsam über den nassen Asphalt kriechen, ihre Fühler strecken, sie zurückziehen, wenn man zu nahe kommt.
Manchmal kommt Opi auch in Erklärungsnot. Das kleine Bächlein zum Beispiel dass durch den verwilderten Park fliesst: Warum endet das in einer kläglichen Betonröhre? Jedesmal fragt Lio, wenn wir da vorbei gehen, wo das Rinnsal in starren Beton gefasst wird. «Wohin geht das Wasser?» Gut über diese Frage hab ich hier auch schon geschrieben. Ich versuch ihm zu erklären, dass wir Menschen da Häuser bauen wollten und das Bächlein offenbar im Weg war….
Jüngst hat er mir bewusst gemacht, wie fest in bildlichen Konventionen wir leben und die versteht man nur, wenn man sie so intus hat, dass man sie gar nicht mehr hinterfragt. Die Ikonen des täglichen Verkehrs zum Beispiel: Ich spaziere mit Lio durchs Städtchen, bieg in die schmucke verkehrsfreie Marktgasse ab. Er aber bleibt stehen. Vor dem oben abgebildeten Verkehrsschild, welche die Fussgängerzone signalisiert. Lesen kann er natürlich noch nicht. Aber das Bild - die Frau mit dem Kind an der Hand - scheint ihn zu faszinieren. Ich vermag daran auf den ersten Blick nichts Aussergewöhnliches zu erkennen. Aber er bleibt stehen, und stellt dann die Frage: «Du Opi, darfst du da auch spazieren?»
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Blogger Martin Moser
Martin Moser (1959), Produktionschef Tageszeitungen der AZ Medien, ist seit 30 Jahren verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Er hat zwei Enkel (Lionel, 2011, und Enyo, 2014) und legt auch mal einen Opi-Tag ein. Bloggt für «wir eltern» über Opi-Kinder-Enkel-Erlebnisse und -Beziehungen und kramt auch mal in seinen eigenen Erinnerungen.