Das Kind ermuntern, seine Welt zu erobern. Wem nichts zugetraut wird, traut sich selber nichts zu.
<<Abschied nehmen von den eigenen Träumen und Erwartungen.>>
Die Kindergartenablösung war schwer? Schule ist schlimmer. Schliesslich wird es jetzt ernst, der Nachwuchs plötzlich von Fremden bewertet und die eine oder andere Weiche für die Zukunft gestellt. Zeitgleich mit dem Schuleintritt stocken viele Mütter das Berufspensum auf. Warum zu Hause hocken, wenn niemand daheim ist? Eine rationale Frage. Irrational ruft dennoch plötzlich das schlechte Gewissen wie ein Muezzin zum Gebet. Hätte das Kind bessere Noten, wenn man mit ihm zusammen die Hausaufgaben erledigte? Wäre sein Vortrag zum Thema «Mein Hamster» nicht vorteilhafter zur Geltung gekommen, wenn man selbst dazu noch eine Powerpoint- Präsentation erstellt hätte?
Zur Kompensation der fehlenden Zeit verdoppeln Mütter gerne ihr Engagement in der verbleibenden Zeit. Leider. Im deutschen Bundesland Baden-Württemberg hängen seit neustem an vielen Schultoren Schilder für Eltern: «Wir verabschieden uns hier!» Ständig in den Schulgängen auf Mamas zu stossen, die ihren Kleinen Pausenbrot oder Turnbeutel nachtragen. «Eben schnell» den Klassenlehrer wegen des Waldausfluges sprechen wollen «vor allem wegen der Zecken», macht den Schulalltag kompliziert. Amerika sehnt sich sogar nach den harmlosen «Helicopter Parents » zurück. Hier haben inzwischen die nach Kampfhubschraubern benannten «Black Hawk»-Eltern das Kommando übernommen, die, die mit Anwälten drohen, Petitionen einreichen und auch ansonsten auf Krawall gebürstet sind. Schliesslich, so die Überzeugung, spiegelt die Schulleistung des Kindes die Leistung der Mutter. Die Anthropologin Wednesday Martin schildert in der «New York Times» diese neuen Auswüchse: Sogenannte Glam SAHMs, glamouröse stay-at-home-moms, erhalten von ihren vermögenden Ehemännern Boni. Ausgezahlt bei entsprechendem Schulerfolg der Kids. Bizarre Randerscheinungen? Nein. «Das Kind ist heute für viele Eltern ihr Lebensprojekt», sagt Entwicklungspsychologin Trix Cacchione. «Vielleicht fällt das Loslassen des Kindes so schwer, weil man nicht nur das Kind loslassen muss, sondern auch die eigenen Träume und Erwartungen.»
Der Traum, dass der Sohn mal Vaters Anwaltskanzlei übernimmt: geplatzt bei der Einstufung in Sek B. Die Erwartung, das Töchterchen setze die akademische Familientradition fort: enttäuscht, wenn der Lehrer jedes Schuljahr aufs Neue freundlich umschreibt, dass das Töchterchen nicht die hellste Leuchte im Lampenladen ist. Tja. Deshalb müssen Eltern Abschied nehmen von der Vorstellung, ihr Kind kneten zu können wie Fimo. Das klappt nämlich nicht. Spätestens spürbar in der Pubertät.