Blog
«Hausaufgaben schaden unseren Kindern»
Von Bloggerin Nathalie Sassine-Hauptmann
Diese Aussage des «Hausaufgaben-Gurus» Harris Cooper der Duke University in North Carolina schockiert. Egal, auf welcher Seite des Pro- oder Kontra-Spektrums wir uns befinden. Kann es wirklich sein, dass all die Stunden, die statt spielen mit Blut, Schweiss und Tränen verbracht werden, für die Katz sind? Dass Millionen Familien weltweit ein Ritual befolgen, dass rein gar nichts bringt? Die Hausaufgaben sind eine solch akzeptierte Praxis, dass es einem schwer fällt, an ihrem Nutzen zu zweifeln.
Schauen wir uns also die Fakten an:
Hausaufgaben bringen schon etwas, jedoch kommt es auf das Alter des Kindes an. Untersuchungen haben gezeigt, dass Primarschüler/-innen vor allem im Klassenraum etwas lernen. Zu Hause? Ist es eben nur noch mehr Arbeit, lernen tun sie dabei vernachlässigbar wenig. Sogar in der Mittelstufe ist der Nutzen von Hausaufgaben für den schulischen Erfolg sehr gering. Erst in der Oberstufe bringt das Lernen ausserhalb der Schule etwas, aber auch nur in relativ geringem Mass. Zwei Stunden täglich sind das Maximum, danach ist der Nutzen geringer als die Belastung. «Die Forschung ist sich darüber im Klaren: In der Primarschule bringen Hausaufgaben rein gar nichts», so auch Etta Kralovec, Bildungsprofessorin an der University of Arizona.
Den Einwand, diese Studien seien vielleicht gar nicht repräsentativ, kann man hier nicht gelten lassen. Cooper hat 120 Studien von 1987 und weitere 60 von 2003. Keine dieser 180 Untersuchungen zeigt auch nur den geringsten Nutzen von Hausaufgaben in der Primarschule. Aber etwas brachten all diese Studien ans Tageslicht: Hausaufgaben haben einen negativen Einfluss auf die Kinder und ihrer Haltung gegenüber der Schule!
Und genau das ist es doch, was einem Sorgen machen muss. Die Schule gibt unseren Kindern Hausaufgaben, die nicht nur ihre Wirkung verfehlen. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass die Kids die Schule immer weniger mögen!
Kinder lernen ja grundsätzlich gerne, sie sind wissbegierig und wollen reifen. Doch die tägliche Arbeit zu hause verdirbt ihnen diese Lust am Lernen. Ist das nicht tragisch? Sollte einem Kind nicht die Leidenschaft für’s Lernen vermittelt werden, anstatt sie ihm zu vermiesen? Ich finde schon.
Ausserdem kommt der – nun ganz egoistische – Aspekt der belasteten Eltern-Kind-Beziehungen dazu. Wie oft liegt ihr euch wegen der Hausaufgaben in den Haaren? Bis heute dachte ich, das müsse so sein. Aber wenn es nun kontraproduktiv ist? Dann muss ich weiterhin die Böse spielen? Irgendwie unlogisch, nicht? Ich gehörte ja immer zu denen, die fanden, Kids sollten ihre Hausaufgaben gefälligst alleine lösen. Aber mit der Verantwortungsübernahme, die immer früher von unseren Kindern verlangt wird, geht es ja gar nicht anders als mit elterlicher Hilfe. Sonst geht der Matheplan unter, die Prüfung vergessen und der Vortrag ist auch im Eimer. Folglich passiert genau das Gegenteil von «Verantwortung übernehmen»: Wir Eltern mutieren zu Hausaufgaben-Polizisten, eine Rolle, die wir ja eigentlich gar nie gewollt haben.
Kinder könnten mit ihrer Freizeit so viel Besseres anfangen: Draussen spielen, lesen, plaudern, Velofahren... Hausaufgaben scheinen da keinen Platz zu haben. Oder was meint ihr?
Hier der Link zur Studie: http://rer.sagepub.com/content/76/1/1.abstract
Nathalie Sassine-Hauptmann (1973) gehört zu den Müttern, die ihr schlechtes Gewissen wie ein Baby mit sich rumtragen. Dennoch würde sie ihren Beruf nie aufgeben. Mit ihrem Buch «Rabenmutter - die ganze Wahrheit über das Mutterwerden und Muttersein» spricht sie vielen berufstätigen Müttern aus der Seele. Denn als Unternehmerin weiss sie, dass ihre Kinder sie zwar glücklich machen, aber erst ihr Job ihr den Ausgleich garantiert, den sie braucht. Sie führt sowohl ihr Familienleben als auch ihre Firma mit viel Leidenschaft und macht sich in diesem Blog Gedanken zur Vereinbarkeit von beidem. Und sie hat keine Angst davor, sich eine Feministin zu schimpfen. Alle Blog-Beiträge von Nathalie Sassine-Hauptmann finden Sie hier.